Veranstaltungsprogramm

Eine Übersicht aller Sessions/Sitzungen dieser Veranstaltung.
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Sitzungsübersicht
Ort: V 7.02
401 Plätze
Datum: Donnerstag, 18.05.2023
12:45 - 13:30Begrüßung
Ort: V 7.02
13:30 - 14:45Keynote 1: Anna Lisa Martin-Niedecken
Ort: V 7.02
Extended Reality-Training: Innovative Bewegungs-, Erlebnis- und Gestaltungsräume

Datum: Freitag, 19.05.2023
8:30 - 10:00AK09: Zusammen sind wir stärker – aber wie arbeiten wir zusammen? Fallstudien und Ansätze zur Integration von Forschung und Praxis in der Sportpsychologie
Ort: V 7.02
Chair der Sitzung: Svenja A. Wolf, Florida State University
Chair der Sitzung: Philipp Röthlin, Eidgenössische Hochschule für Sport Magglingen
Diskutant*in: Franzi Lautenbach, Humboldt-Universität zu Berlin
 

Zusammen sind wir stärker – aber wie arbeiten wir zusammen? Fallstudien und Ansätze zur Integration von Forschung und Praxis in der Sportpsychologie

Chair(s): Svenja A. Wolf (Florida State University, USA), Philipp Röthlin (Eidgenössische Hochschule für Sport Magglingen), Franziska Lautenbach (Humboldt-Universität zu Berlin)

Diskutant*in(nen): Svenja A. Wolf (Florida State University)

Wenn sportpsychologische Forschung und Praxis integrativ zusammen arbeiten erhöht dies die Effektivität, Glaubwürdigkeit, Nützlichkeit und Qualität in beiden Bereichen (Wolf et al., 2020). Selbst wenn wir annehmen, dass Forschende und Praktizierende diesen Mehrwert erkennen und motiviert sind evidenzbasiert und wissenschaftsgeleitet (Praxis) bzw. feldorientiert und in der Wissensübersetzung (Forschung) zu arbeiten stehen der Umsetzung von Integration nach wie vor zahlreiche Barrieren im Wege (z. B., zu geringer gegenseitiger Austausch, fehlende Fertigkeiten; Haddow & Klobas, 2004; Morrissey et al., 1997). Aufbauend auf unserem Aufruf von 2020 und unseren Erfahrungen mit Integrationsprojekten (Lautenbach et al., 2022; Horvath & Röthlin, 2018) wollen wir deshalb in diesem Symposium Beispiele, Herausforderungen und Ansätze zur Umsetzung von Praxis-Forschungsintegration in der Sportpsychologie teilen und unter Einbezug des Publikums diskutieren und ergänzen. Nach einer kurzen Eröffnung und Einbettung beginnen Philipp Röthlin et al. von der Eidgenössische Hochschule für Sport Magglingen dieses Vorhaben mit der Präsentation ihrer Erfahrungen in der Planung und Durchführung wissenschaftlicher Projekte mit Sportverbänden sowie im Transfer sportpsychologischen Wissens in die Ausbildung von Trainerinnen und Trainer. Anschließend betrachten und bewerten Franziska Lautenbach et al. von der Humboldt-Universität zu Berlin und Nils Gatzmaga von RasenBallsport Leipzig die Erfahrungen ihrer Zusammenarbeit im Fußballkontext sowohl aus Forschungs- als auch aus Praxisperspektive. Folgend teilt Christopher Willis vom Center of Mental Excellence seine Eindrücke, Herausforderungen und Lösungsansätze im Rahmen der Aus- und Fortbildung sportpsychologischer Praktizierender unterschiedlicher Expertisestufen mit einem Fokus auf evidenz- versus erfahrungsbasiertes Wissen. Schließlich schildert Monika Liesenfeld vom Olympiastützpunkt Berlin wie sie ihren theoretischen (systemischen) Beratungsansatz in ihrer praktischen Arbeit umsetzt und ruft dazu auf, dass auch die Forschung stärker systemorientiert denkt und welchen Mehrwert dies hätte, zum Beispiel für Praxiskooperationen. Nach eine abschließen Zusammenfassung enden wir dann mit einer moderierten Publikumsdiskussion im Anschluss an welche die Teilnehmenden neben ihrer Motivation hoffentlich auch konkrete Ansätze zu Integration und Überwindung bestehender Barrieren mitnehmen und wir alle der Umsetzung von integrierter sportpsychologischer Forschung und Praxis einen Schritt nähergekommen sind. Letztendlich ist es nicht nur der Wille sondern auch das Wissen und die Wirksamkeit, welche zu Forschungs-Praxis-Integration nötig sind (Bandura, 1977, 1997) und wir hoffen mit stellvertretenden Erfahrungen und konkreten Handlungsplänen einen Beitrag zu Erhöhung dieser leisten zu können.

 

Beiträge des Arbeitskreises

 

Wer hat’s erfunden? Eine kritische Auseinandersetzung mit der Integration von sportpsychologischer Forschung und Praxis in der Schweiz

Philipp Röthlin, Stephan Horvath, Gareth Morgan, Daniel Birrer
Eidgenössische Hochschule für Sport Magglingen

Die Eidgenössische Hochschule für Sport Magglingen (EHSM) befasst sich ausschliesslich mit Ausbildung, angewandter Forschung, Entwicklung und Dienstleistungen im Sport. Das Ressort Leistungssport, zu dem auch die Abteilung Sportpsychologie gehört, und die Trainerbildung Schweiz als wichtige Pfeiler der EHSM erbringen neben der Forschungstätigkeit sportwissenschaftliche Dienstleistungen für die Sportverbände (z.B. Leistungsdiagnostik oder sportpsychologische Beratung) und bilden Trainerinnen und Trainer mit Berufsanerkennung aus. Die gegenseitige Befruchtung von Forschung, Dienstleistung und Lehre ist als wichtiges Merkmal in der Strategie der EHSM verankert. Da die EHSM Teil der Bundesverwaltung ist, besteht eine Nähe zur Sportpolitik sowie zur Spitzensportförderung der Armee. In Magglingen befindet sich zudem ein Leistungssportzentrum, in dem Spitzensportlerinnen und -sportler trainieren können. Damit scheint die EHSM auf den ersten Blick gute Voraussetzungen für eine erfolgreiche Integration von sportpsychologischer Forschung und Praxis zu haben.

Der Beitrag stellt drei Beispiele vor, in denen diese Integration unterschiedlich gut gelingt: (1) die Vermittlung von aktuellen Forschungsergebnissen in der Trainerausbildung, (2) regelmäßiges Screening von (durch die Forschung als leistungs- oder gesundheitsrelevant nachgewiesenen) psychologischen Konzepten bei Nachwuchs-Nationalmannschaften und Rückmeldung der Ergebnisse an die Athletinnen und Athleten und deren Umfeld und (3) das Modell des «embedded scientist», das es Sportverbänden ermöglicht, Sportwissenschaftlerinnen und Sportwissenschaftler zu beschäftigen, die gleichzeitig an eine Forschungseinrichtung angebunden sind.

Die Analyse der Beispiele anhand der Faktoren von Wolf et al. (2020) zeigt, dass die Integration von Forschung und Praxis dann funktioniert, wenn sie als wichtig und effizient wahrgenommen wird, wenn ein regelmässiger und respektvoller Kontakt zwischen Praxis und Forschung stattfindet und wenn sie finanziell gefördert wird (z.B. durch die Finanzierung von wissenschaftlichen Stellen in den Sportverbänden durch Swiss Olympic). Die Integration von Forschung und Praxis wird erschwert, wenn der Austausch fehlt (Kommunikationsbarriere), wenn andere Praxisprobleme wichtiger sind als aktuelle Forschungsergebnisse (Dringlichkeitsbarriere), wenn die Forschungsterminologie unverständlich ist (Begriffsbarriere) und wenn einerseits den Forschenden die Zeit fehlt, ihre Ergebnisse praxistauglich aufzubereiten und andererseits der Praxis die Zeit fehlt, Forschungspublikationen zu lesen (Zeitbarriere, Wolf et al., 2020).

 

Die Ups und Downs der Kooperation von Fußball und Uni

Franziska Lautenbach1, Simon Knöbel2, Nils Gatzmaga3
1Humboldt-Universität zu Berlin, 2Humboldt-Universität zu Berlin; Universität Leipzig, 3RasenBallsport Leipzig GmbH, Deutschland

Nach den Anbahnungen im Sommer 2018 begann im Frühjahr 2019 die Kooperation zwischen der Nachwuchsabteilung von RB Leipzig, der Universität Leipzig und der DSHS Köln zur Entwicklung einer kognitiven Diagnostik für den Soccerbot360. Im Sommer 2019 starteten die ersten Testungen zur Validierung einer Inhibitionsaufgabe und einer kognitiven Flexibilitätsaufgabe. 2021 wurde der Einfluss von psychophysiologischem Stress und 2022 der Einfluss von positiven Emotionen auf exekutive Funktionen untersucht.

In Anlehnung an unseren Beitrag, in der diese Zusammenarbeit bereits beleuchtet wurde (Lautenbach et al., 2022), soll der Beitrag auf der Tagung tiefer ins Detail gehen und insbesondere Herausforderungen im Jahr 2022 deutlich machen. Wechselnde Akteure, überraschende Entscheidungen, unterschiedliche Bedürfnisse und Wünsche auf Seiten der Forschung und Praxis sowie veränderte Pläne sollen beschrieben werden. Hierbei ist es Ziel zum einen die wissenschaftliche Sicht, sowie die Umsetzung in der Praxis durch die Wissenschaft zu erläutern und zum anderen die Seite der Praxis und den dort getroffenen Entscheidungen darzulegen. Vor diesem Hintergrund ist es insgesamt unser Wunsch, dass zukünftige Kooperationen zwischen Forschung und Praxis aus unseren Fehlern lernen und ggfs. von unseren Erfahrungen profitieren.

 

Erfahrungen und Herausforderung bei der Integration von Forschung und praktischer Erfahrung in der sportpsychologischen Aus- und Fortbildung

Christopher Willis
Center of Mental Excellence

Um zu gewährleisten, dass das asp- Curriculum „Sportpsychologisches Training und Coaching im Leistungssport“ den Anforderungen der Sportpsychologie in der Praxis gerecht wird und sich zugleich an wissenschaftlich fundierten Methoden und Ergebnissen orientiert, wurden u.a. im Rahmen von praxisorientierten wissenschaftlichen BISp-Projekten verschiedenste Qualitätskonzepte, Arbeitsmittel und Leitideen entwickelt. Eine enge Abstimmung erfolgt hierbei mit dem Ausbildungsbeirat der asp, dem u.a. das BISp, der DOSB sowie weitere sportpsychologische Fachverbände und -institutionen angehören. Aufgrund dieser Qualitätssicherungsmaßnahmen konnte die Integration von Forschung und Praxis im Rahmen des asp- Curriculums für die Ausbildung der Einsteiger*innen (Level 1 – Novize/Junior) in die sportpsychologische Praxis deutlich verbessert werden. So werden grundlegende sportpsychologische Themenbereiche, wie strukturelle und organisatorische Rahmenbedingungen der sportpsychologischen Tätigkeit, sportpsychologische Problemexploration und Anamnese, sportpsychologische Diagnostik, sowie sportpsychologische Interventionsbereiche (…wie Zielsetzungstraining, Achtsamkeitstraining, Entspannungstraining, Selbstgesprächsregulation, Vorstellungstraining oder Optimierung der Gruppendynamik) auf den Ebenen der externen sowie internen Evidenz und der Klient*innenperspektive im leistungsorientierten Sport vermittelt.

Evidenzbasierte sportpsychologische Fortbildung von erfahrenen Kolleg*innen Level 2 (Fortgeschritten/Professional) und Level 3 (Expert/Senior) gestaltet sich aufgrund der anspruchsvollen Aus- und Fortbildungsthematiken und der im Vergleich zu den sportpsychologischen Grundlagenthemen geringeren Evidenz deutlich schwieriger. Für Themenbereiche, die für erfahrene Kolleg*innen relevant sind, wie sportpsychologische Supervision, langfristige Karriereentwicklung und Positionierung von sportpsychologischen Expert*innen im System des Leistungssports, sportpsychologische Organisationsentwicklung von Verbänden, sportpsychologische Betreuung von Führungskräften im Leistungssport, langfristiges sportpsychologisches Coaching von Familien, die im Leistungssport engagiert sind oder evidenzbasiertes Vorgehen bei ethischen Dilemmata im Leistungssport (…wie systematischer Machtmissbrauch und Grenzüberschreitungen, Instrumentalisierung von sportpsychologischen Expert*innen oder Kunst- und Interventionsfehler in der sportpsychologischen Beratung) ist ein Mangel an fachlicher Evidenz festzustellen. Dennoch ist es geboten und für die Entwicklung der Sportpsychologie erforderlich, derartige Themenbereiche in der vertiefenden Aus- und Fortbildung von erfahrenen sportpsychologischen Expert*innen zu berücksichtigen. Im vorliegenden Transfersymposium sollen die Herausforderungen einer ausgewogenen evidenz- sowie erfahrungsbasierten Aus- und Fortbildung für die verschiedensten Expertisestufen von sportpsychologischen Expert*innen dargestellt und Lösungsvorschläge diskutiert werden.

 

Passung von Beratungsansatz und Forschungsansatz – welche Bedeutung hat das für die Praxis?

Monika Liesenfeld
Olympiastützpunkt Berlin

Es existieren unterschiedliche Beratungsansätze und zugrundeliegende Haltungen in der Sportpsychologie (vgl. Brand, Benthien, Decker, Grote, Heinz, Hust & Wippich, 2014). Dies hat Einfluss auf die praktische Arbeit des Sportpsychologen bzw. der Sportpsychologin. Denn ein Beratungsansatz ist nicht nur eine Ansammlung bestimmter Methoden oder Techniken, sondern basiert auf einem Theoriegebäude, welches wiederum durch bestimmte Einstellungen und Werte gekennzeichnet ist und Handlungsorientierung gibt (vgl. Lieb, 2009; Weidig & Liesenfeld, 2020).

Der praktizierte Beratungsansatz der Referentin des OSP Berlin ist der systemische Ansatz. Systemisch arbeitende Sportpsychologinnen und Sportpsychologen gehen davon aus, dass es keine Objektivität im eigentlichen Sinne gibt. Alles Verhalten ist in den jeweiligen Kontext eingebettet und erscheint dadurch sinnvoll und erklärbar. Somit sind alle Beobachtungen immer nur Ausschnitte und subjektiv. Je nach Ausschnitt und Perspektive ändern sich somit wahrgenommene Zusammenhänge und Bedeutungen. Es geht entsprechend nicht darum, das Verhalten einzelner Personen zu verändern, sondern darum, die Funktion, den Sinn von typischen Mustern im System zu verstehen. Gelingt dies, dann können Strukturen, Beziehungsmuster oder Denkweisen verändert werden, um anderes Verhalten zu ermöglichen (Königswieser & Hillebrand, 2009; Weidig & Liesenfeld, 2020).

Vor dem Hintergrund, dass Forschung und Praxis im Miteinander dann gut funktionieren, wenn u.a. die Forschungsfragen von der Praxis als praktikabel, wichtig und sinnvoll erachtet werden, wird in diesem Beitrag diskutiert, inwieweit es sinnvoll sein kann, den systemischen Beratungsansatz auch in der Forschung bzw. bei der Erstellung von Hypothesen und Fragestellungen zu berücksichtigen.

Eine zentrale Frage systemischer Forschung besteht darin, ob die Verfahren bzw. eingesetzten Methoden etwas über die Systemqualität des Untersuchungsgegenstandes aussagen können, d.h. inwiefern sie Interaktionen, Vernetzungen, Synchronisationsprozesse und Dynamiken in der Zeit erfassen (Ochs & Schweitzer, 2012). Systemische Forschung orientiert sich eben nicht nur an einem Aspekt oder Funktionmodus komplexer Systeme, sondern stellt einen multiperspektivischen und multimethodalen Mehrebeneansatz dar. Zudem geht es darum, Verfahren der Datenerhebung und -analyse einzusetzen, die in der Praxis verwendbar sind und den Kooperationspartnern Nutzen und Vorteile bringen (Ochs & Schweitzer, 2012).

Eine Forschungskonzeption, die sich nicht nur an Einzelzusammenhängen und linearkausalen Überlegungen orientiert, sondern die Aspekte in den Kontext eingebettet betrachtet und Interaktionen und Vernetzungen etc. berücksichtigt, ist mit Sicherheit in der Umsetzung aufwendiger, könnte jedoch auf eine stärkere Akzeptanz bei den systemischen Praktikern und Praktikerinnen stoßen und die Integration von Forschung und Praxis in der Sportpsychologie noch weiter vorantreiben.

 
10:30 - 11:45Keynote 2: Charles Hillman
Ort: V 7.02
The History of Neuroimaging in Exercise and Sport Sciences. Where Do We Go from Here?
12:45 - 14:00AK11: Forschung zur Generierung und Funktion von positiven Emotionen im Sport
Ort: V 7.02
Chair der Sitzung: Franzi Lautenbach, Humboldt-Universität zu Berlin
 

Forschung zur Generierung und Funktion von positiven Emotionen im Sport

Chair(s): Franzi Lautenbach (Humboldt-Universität zu Berlin)

Positive Emotionen sind im Sport allgegenwärtig und dennoch stehen sie zu selten im Fokus der sportpsychologischen Forschung (Lautenbach, 2018). Vor diesem Hintergrund ist es Ziel des Arbeitskreises positive Emotionen in den Mittelpunkt des sportlichen Handelns zu rücken. Hierbei sollen aktuelle Forschungsergebnisse über die Generierung und Funktionen von positiven Emotionen im Sport vorgestellt werden.

Zu Beginn des Symposiums wird eine kurze Einführung über positive Emotionen gegeben. Dabei werden die Problematik hinsichtlich geeigneter Definitionen, die Abgrenzung verschiedener positiver Emotionen voneinander, die Entstehung und die Funktionen von positiven Emotionen theoretisch dargestellt. Als erster Vortragende wird Sylvain Laborde darauf eingehen, ob positive Emotionen durch Atmungstechniken entwickelt werden können. Pia Zajonz wird im zweiten Vortrag die Möglichkeiten von positiven Emotionen für die psychophysiologische Regeneration von Athleten*innen nach psychosozialen, physiologischen und wettkampfbezogenen Stressoren anhand von drei Pilotstudien berichten. Simon Knöbel wird anschließend eine Studie durchgeführt mit Fußballerinnen vorstellen, in der er den Einfluss von fußballspezifischen positiven Emotionen auf exekutive Funktionen (Inhibition, kognitive Flexibilität) experimentell erforscht hat. Der letzte Vortrag wird von Sascha Leisterer gehalten, der die Funktion der positiven Emotion Stolz in Bezug auf das Trainingsverhalten unter Berücksichtigung von impliziten Motiven und den Motivkomponenten Hoffnung versus Furcht untersucht hat.

Zum Abschluss des Symposiums werden die Beiträge zusammengefasst und eingeordnet, um am Ende gemeinsam mit dem Plenum über die Rolle von positiven Emotionen im Sport zu diskutieren.

 

Beiträge des Arbeitskreises

 

Einfluss der langsamen kontrollierten Atmung auf die emotionale Valenz und Intensität

Sylvain Labode, Maša Iskra, Nina Zammit
DSHS Köln

Langsames kontrolliertes Atmen ist eine Technik, die zur Herunterregulierung physiologischer Aktivierung eingesetzt wird. Die Auswirkungen einer kurzen langsamen Atmung auf die wahrgenommene emotionale Valenz und Intensität sind jedoch noch nicht eindeutig. Ziel dieser Studie war es daher, die Auswirkungen einer kurzen langsamen Atemübung auf psychophysiologische Variablen zu untersuchen, die mit der Emotionsregulation zusammenhängen, nämlich die vagale Herzaktivität, sowie die wahrgenommene Stressintensität, die emotionale Intensität und die emotionale Valenz. Insgesamt 72 Probanden absolvierten eine 5-minütige langsame kontrollierte Atemübung und eine Kontrollbedingung mit einer 5-minütigen Ruhemessung. Die vagale Herzaktivität wurde anhand der mittleren quadratischen Wurzel aus aufeinanderfolgenden Differenzen (RMSSD) gemessen. Die Versuchspersonen bewerteten zudem ihre wahrgenommene Stressintensität, emotionale Intensität und emotionale Valenz. Die Ergebnisse zeigten, dass der RMSSD während der langsamen kontrollierten Atmung im Vergleich zur Kontrollbedingung höher war, t(71) = 11.664, d = 0.61. Entgegen unserer Hypothese, stiegen die wahrgenommene Stressintensität und die emotionale Intensität nach langsamer kontrollierter Atmung an, und die wahrgenommene emotionale Valenz war nach der Atemübung weniger positiv. Dies könnte durch das Erleben von Dyspnoe (d.h. Atembeschwerden) und die Notwendigkeit, sich an die langsame kontrollierte Atmung zu gewöhnen, erklärt werden. Außerdem korrelierte der RMSSD nicht mit der Messung der emotionalen Valenz und der wahrgenommenen emotionalen Intensität, sondern war negativ mit dem wahrgenommenen Stress für die Kontrollbedingung (r = -.27, p = .029) korreliert (keine Korrelation für die Experimentalbedingung). Daraus können wir schließen, dass die physiologischen Vorteile der langsamen kontrollierte Atmung zwar unmittelbar eintreten, dass aber möglicherweise ein Training erforderlich ist, um die psychologischen Vorteile wahrzunehmen.

 

Die Undoing-Hypothese im Leistungssport – drei Pilotstudien zur Überprüfung der Effekte positiver Emotionen auf die psychophysiologische Regeneration

Pia Zajonz, Franzi Lautenbach
Humboldt-Universität zu Berlin

In der Undoing-Hypothese wird beschrieben, dass das Erleben positiver Emotionen zu einer schnelleren Erholung psychophysiologischer Stressreaktionen beiträgt und somit positiver Emotionen kurz- und langfristig vorteilhaft für die Gesundheit und Leistungsfähigkeit sind (Fredrickson, 2000). Eine zügige Regeneration nach einem Wettkampf oder intensivem Training erscheint insbesondere für Athleten*innen erstrebenswert, da diese sich zum einen positiv auf die sportliche Leistungsfähig auswirken kann, und zum anderen die körperliche und mentale Gesundheit beeinflusst (Brown & Fletcher, 2017; Kellmann & Beckmann, 2018). Der aktuelle Forschungsstand zeichnet allerdings ein uneindeutiges Bild bezüglich der Undoing-Hypothese (Behnke et al., 2022; Cavangh & Larkin, 2018). Zudem sind die dargestellten Pilotstudien die ersten, welche die Effekte positiver Emotionen auf die psychophysiologische Regeneration im Sportkontext überprüfen und deren Potential für Athleten*innen beleuchten.

In drei Pilotstudien mit Prä-Post-Test-Design wurden nach einem psychosozialen Stressor (Studie 1, Innersubjektdesign, N = 19), nach einem physiologischen Stressor (Studie 2, Zwischensubjektdesign, N = 14) und nach einem simulierten Wettkampf (Studie 3, Zwischensubjektdesign, N = 13; Gebhardt et al., 2020) positive Emotionen (Interventionsgruppe) bzw. neutrale Emotionen (Kontrollgruppe) induziert. Ihre Auswirkung auf die psychophysiologische Regeneration wurde hinsichtlich kardiovaskulärer Parameter (Blutdruck, Puls, Herzratenvariabilität) sowie dem subjektiven Zustand (wahrgenommene Emotionen, Erregung, Valenz) der Athleten*innen verglichen.

Die Ergebnisse bestätigen die Undoing-Hypothese nach dem psychosozialen Stressor (Studie 1). Hier konnte ein größerer Anstieg in positiven Emotionen und ein langanhaltender Rückgang des diastolischen Blutdrucks in der Interventionsgruppe verglichen zur Kontrollgruppe festgestellt werden. Trotz fehlender Signifikanz weisen deskriptive Ergebnisse aller Studien in die Richtung der Undoing-Hypothese. Im Rahmen der Präsentation soll über mögliche Wirkmechanismen und Potential für weiterführende Forschung, insbesondere in Hinblick auf die sportliche Leistung, diskutiert werden.

 

Diagnostik exekutiver Funktionen unter fußballspezifischen positiven Emotionen

Simon Knöbel1, Marie-Luise Herrmann2, Christoph Jahn3, Franzi Lautenbach4
1Humboldt-Universität zu Berlin; Universität Leipzig, 2Umbrella Software GmbH, 3RB Leipzig, 4Humboldt-Universität zu Berlin

Aufgrund einer komplexen Leistungsstruktur wird das Abrufen und Erreichen von Spitzenleistungen im Fußball von einer Vielzahl von Faktoren beeinflusst, die im Rahmen der Talententwicklung und -bewertung berücksichtigt werden müssen (Sarmento et al., 2018). Daraus ergibt sich für Praktizierende und Forschende die Herausforderung, ein möglichst breites Spektrum an Fähigkeiten und Persönlichkeitsmerkmalen und deren Wechselwirkungen zu untersuchen, um potenzielle Talentprädiktoren zu identifizieren (Lautenbach et al., 2022; Murr et al., 2018). Von zunehmendem Interesse sind in diesem Zusammenhang exekutive Funktionen (EFs: Inhibition, kognitive Flexibilität und Arbeitsgedächtnis), die als entscheidend für effektives und zielgerichtetes Handeln gelten (Diamond, 2013). Die Erfassung von EFs könnten somit potenziell eine zusätzliche, objektive Messung des Leistungs- und Entwicklungspotenzials von talentierten Fußballspielern:innen darstellen (Sakamoto et al., 2018). Aufgrund der unzureichenden prädiktiven Aussagekraft isolierter Faktoren bleiben jedoch viele praxisrelevante Fragen unbeantwortet. Vorhandene sportartspezifische Evidenz deutet auf eine hohe Varianz in der Ausprägung von EFs sowohl bei Sportlern:innen mit unterschiedlichen Erfahrungs- und Leistungsniveaus (Huijgen et al., 2015) als auch mit ähnlichem Niveau (Beavan et al., 2020) hin. Um diese Leistungsunterschiede nachvollziehen zu können und Rückschlüsse auf die Leistung auf dem Spielfeld zu ermöglichen, müssen zusätzliche leistungsbezogene Faktoren berücksichtigt und EFs unter wettkampfnahen Bedingungen diagnostiziert werden (Lautenbach et al., 2016). Im Hinblick auf die psychischen Anforderungen eines Fußballspiels können neben dem Stress, der durch den hohen Druck einer Wettkampfsituation entsteht, auch positive Emotionen (z.B. Freude) durch Erfolgserlebnisse oder gemeisterte Situationen auftreten und kognitive Prozesse beeinflussen (Vast et al., 2010). Dementsprechend wurden in der durchgeführten Studie EFs mit dem SoccerBot360 (kreisförmiges Trainingsgerät mit bespielbaren Wänden, die als Fläche für Videoprojektionen genutzt werden können; Lautenbach, Musculus et al., 2022) gemessen und unter einer experimentellen Manipulation positiver Emotionen in einem Zwischensubjektdesign mit 53 Leistungsfußballspielerinnen (MAlter = 16.26) untersucht. Dabei erhielt die Interventionsgruppe eine Induktion positiver Emotionen durch die erfolgreiche Bewältigung einer Aufgabe (Siedlecka & Denson, 2019) mit grundlegenden fußballspezifischen Elementen (modifiziert nach Hoff et al., 2006) und positive Leistungsrückmeldungen (Sansone, 1989). Zusätzlich wurden die Daten durch die Messung psychophysiologischer Korrelate (German Sport Emotion Questionnaire, Wetzel et al., 2020; Cortisol, HRV) ergänzt, um ein tieferes Verständnis der psychophysiologischen Prozesse zu erlangen, die mit kognitiven Leistungen und dem Erleben von Emotionen im Fußball verbunden sind. Die Datenanalyse ist zum derzeitigen Zeitpunkt noch nicht vollständig abgeschlossen, sodass die Ergebnisse und praktische Implikationen auf der Konferenz vorgestellt werden.

 

Wenn das Ziel fehlt: Potentiale von Stolz als psychische Ressource im Sport

Sascha Leisterer, Enno Winkler
Universität Leipzig

Während der Covid-19 Pandemie kämpften viele Sportler:innen mit ihrer Motivation, weiter zu trainieren, weil ihnen Ziele, wie zum Beispiel Wettkämpfe, fehlten (Lautenbach et al., 2021). Ohne eine explizite Zielmotivation kann die Emotion Stolz als psychische Ressource für eine kontinuierliche Motivation angesehen werden (Carver et al., 20020). Stolz ist das Erleben eines positiven Affekts in Bezug zu einem (sportlichen) Erfolg, der auf das eigene Handeln oder das Selbst bezogen wird. Beispielsweise zeigen Studienergebnisse, dass bei Sportler:innen, die Stolz erleben, die Trainingsperformanz vorhergesagt werden kann (Gilchrist et al., 2018). Offen ist hierbei noch, inwiefern das Erleben von Stolz mit individuellen Persönlichkeitsmerkmalen und dem Trainingsverhalten zusammenhängen. Die vorliegende Studie analysiert prädiktive Zusammenhänge zwischen dem Erleben von Stolz mit dem Trainingsverhalten unter Beachtung von impliziten Motiven und den Motivkomponenten Hoffnung versus Furcht. Hierfür wird in einer aktuell laufenden Befragungsstudie über zehn Tage mit voraussichtlich N = 13 Freizeitsportler:innen (Stichprobenbeschreibung erfolgt nach Abschluss der Datenerhebung) das Stolzerleben mittels Pride Scale (Tracy & Robins, 2007), die Trainingsparameter Häufigkeit (in Trainings pro zehn Tage), Intensität (Session Rate of Perceived Exhaustion pro zehn Tage; Foster, 1998) und Dauer (in Minuten pro zehn Tage) der betriebenen Sportart, die implizite Motivorientierung mittels Picture Story Exercise (Schultheiss et al., 2008) und die Motivkomponenten mittels Multi-Motiv-Gitter (Schmalt et al., 2000) erfasst. Die Datenauswertung umfasst Korrelations- und Regressionsanalysen. Ergebnisse können zur Haupttagung präsentiert werden, da die Datenerhebung über das Ende der Frist zur Einreichung des Abstracts hinaus andauert. Die Ergebnisse werden vor dem Hintergrund diskutiert, Stolzerleben als Determinante für das Trainingsverhalten und insbesondere als emotionale Ressource erörtert. Auf Grund der Analyse von Zusammenhängen wird eine Aussage zu Wirkeffekten der Prädiktionen nur bedingt möglich sein, weshalb zukünftige Interventionsansätze diskutiert werden.

 
14:30 - 15:45Podiumsdiskussion: Was sind aktuelle sportpsychologische Themen in der Trainer*innenausbildung? Was hat sich in den letzten Jahren geändert und was wird sich in Zukunft ändern müssen?
Ort: V 7.02
Diskutant*in: Oliver Stoll, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
16:00 - 18:00i Erwin-Hahn-Studienpreis: (16:00-16:15 Uhr)
Ort: V 7.02
16:00 - 18:00ii Karl-Feige-Preis: (16:15 - 17:00 Uhr)
Ort: V 7.02
Self-talk and emotions in competitive sports
16:00 - 18:00iii Senior Lecturer: (17:00 - 17:45 Uhr)
Ort: V 7.02
Sportpsychologie in der Krise: Das Problem mit den Prognosen und der Heimvorteil - ein Diskussionsbeitrag zur Entwicklung der nationalen und internationalen Sportpsychologie
16:00 - 18:00iv Hermann-Rieder-Ehrennadel: (17:45 - 18:00 Uhr)
Ort: V 7.02

Datum: Samstag, 20.05.2023
9:00 - 10:00AK20: Aktuelle und neue Messinstrumente in der Sportpsychologie
Ort: V 7.02
Chair der Sitzung: Alena Michel-Kröhler, Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Diskutant*in: Oliver Höner, Universität Tübingen
 

Aktuelle und neue Messinstrumente in der Sportpsychologie

Chair(s): Alena Michel-Kröhler (Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Deutschland)

Diskutant*in(nen): Oliver Höner (Eberhard Karls Universität Tübingen)

Obwohl sich verschiedene Forschungsprojekte immer wieder mit der Entwicklung und Evaluation sportpsychologischer Konzepte und Verfahren befassen, fehlen im deutschsprachigen Raum weiterhin Messinstrumente zur Erfassung wichtiger psychologischer (Leistungs-)Voraussetzungen von Athlet:innen (Lobinger & Stoll, 2019) oder sind teilweise nur unzureichend empirisch validiert (Neumann, 2011). Häufig werden keine sportspezifischen Messinstrumente verwendet oder englischsprachige Fragebögen ins Deutsche übersetzt ohne zusätzliche Angaben von weiteren psychometrischen Informationen, die zur Einschätzung ihrer Gültigkeit, Zuverlässigkeit und Robustheit notwendig sind. Für viele Forschungsfragen und die Anwendung in der Praxis sind jedoch sportspezifische Messinstrumente unerlässlich, um psychische (Leistungs-)Voraussetzungen von Athlet:innen adäquat zu erfassen (Lobinger & Stoll, 2019; Neumann, 2011; Wolf et al., 2020). Ziel dieses Symposiums ist es daher einen Überblick über neu entwickelte Fragebögen aus dem deutschen Sprachraum zu geben, die individuelle und situative (Leistungs-)Voraussetzungen von Athlet:innen erfassen und deren praktische Implikationen für potenzielle Einsatzbereiche zu diskutieren.

Der erste von drei Beiträgen beschäftigt sich mit der Erfassung der mentalen Stärke von Athlet:innen, welche als ein wichtiges erfolgsbestimmendes psychologisches Merkmal angesehen werden kann. Dabei stellt der Mental Toughness Questionnaire (Clough et al., 2002), basierend auf dem 4-C-Modell mit seinen vier Subdimensionen (challenge, commitment, control, und confidence), das am häufigsten verwendete Messinstrument im angloamerikanischen Raum dar. Dziuba und Kolleg:innen haben die deutsche Übersetzung des Fragebogens (Gerber et al., 2012) in mehreren Studien validiert und stellen eine 6-Item Kurzversion des Mental Toughness Questionnaire (VS MTQ-G) vor, mit welcher die mentale Stärke der Athlet:innen zukünftig ökomisch erfasst werden kann.

In dem zweiten Beitrag präsentieren Walter und Kolleg:innen die Validierung der deutschen Athlet:innen Version des Coach-Athlete Relationship Questionnaires (CART-Q-D; englische Originalversion: Jowett & Ntoumanis, 2004). Eine funktionale Trainer:innen-Athlet:innen-Beziehung gilt als essentiell für die sportliche Leistung und stellt somit eine weitere, bedeutende situative (Leistungs-)Komponente dar. Der CART-Q-D erfasst die Qualität der Beziehung auf emotionaler, motivationaler und verhaltensbezogener Ebene. Somit können mittels des CART-Q-D zukünftig Beziehungsfragen zwischen Trainer:innen und Athlet:innen aufgedeckt werden, die sich auf die Leistung, Erfolge, und die Zufriedenheit der Athlet:innen auswirken.

Abschließend stellen Michel-Kröhler und Kolleg:innen einen Fragebogen zur Erfassung von wettkampfbezogenen negativen Kognitionen (Adverse Competion-related Cognitions Quesionnaire; ACCQ) vor. Der ACCQ wurde durch ein mehrstufiges Verfahren entwickelt und besteht aus sechs Faktoren, die sowohl individuelle als auch situative (Leistungs-)Komponenten wie beispielsweise die (Ab-)Wertung der eigenen Leistung erfassen. Aufgrund der Vielseitigkeit der Faktoren eignet sich der ACCQ zur initialen „Diagnostik“ und kann bei der Identifizierung von Gedanken unterstützen, die unmittelbar vor oder während eines Wettkampfes bei Athlet:innen auftreten können.

 

Beiträge des Arbeitskreises

 

Validierung der deutschen Kurzversion des Mental Toughness Questionnaire (VS MTQ-G)

Anna Dziuba1, Fabienne Ennigkeit2, Markus Gerber3, Chris Englert2
1Goethe Universität Frankfurt; Institut für Sportwissenschaften, Institut für Sport und Sportwissenschaften, Karlsruher Institut für Technologie, 2Goethe Universität Frankfurt, Institut für Sportwissenschaften, 3Departement für Sport, Bewegung und Gesundheit, Universität Basel

Zahlreiche Studien weisen darauf hin, dass mentale Stärke einen wichtigen Faktor im (Leistungs-)Sport darstellt (Cowden et al., 2020). Zur Erfassung mentaler Stärke existieren im angloamerikanischen Raum eine Vielzahl unterschiedlicher Messinstrumente (Farnsworth, 2021), wobei der Mental Toughness Questionnaire (MTQ-48; Clough et al., 2002) als eines der am häufigsten eingesetzten Instrumente anzusehen ist. Der MTQ-48 basiert auf den Annahmen des 4-C-Modells von Clough et al. (2002) und setzt sich aus vier (bzw. sechs) diskreten, aber miteinander verbundenen Faktoren zusammen: Kontrolle (mit den Subdimensionen Emotionen und Leben), Commitment, Herausforderung und Selbstvertrauen (mit den Subdimensionen Fähigkeiten und interpersonale Beziehungen). Neben der Originalversion des MTQ-48 liegen verschiedene Kurzversionen der Skala vor: MTQ-18 (Clough et al., 2002), MTQ-10 (Papageorgiou et al., 2018), S-MTQ und VS-MTQ (Kawabata et al., 2021). Deren psychometrische Eigenschaften werden kontrovers diskutiert. Das Ziel dieses Vortrags ist es, die Validierung der deutschen Kurzversion (VS MTQ-G) zu präsentieren. Neben der Untersuchung der Faktorenstruktur wurden auch die konvergente und diskriminante Validität sowie die Retest-Reliabilität geprüft.

In Studie 1 wurde die Faktorenstruktur der deutschen Übersetzung des MTQ-48 (Gerber et al., 2012) und der Kurzversionen überprüft (N = 292, Alter: M = 34.60 Jahre, SD = 14.30), wobei das Ein-Faktor-Modell des VS-MTQ den besten Fit (TLI = .962, CFI = .977, RMSEA = .050, SRMR = .033) mit akzeptabler interner Konsistenz (ω = .77) aufwies. Für alle Items ergaben sich akzeptable Faktorladungen zwischen 0.48 und 0.74. Basierend auf diesen Ergebnissen wurde in den Studien 2 und 3 die deutsche Kurzversion des Mental Toughness Questionnaire (VS-MTQ-G) verwendet.

Hinsichtlich der konvergenten und diskriminanten Validität ergaben sich in Studie 2 (N = 201, Alter: M = 29.50 Jahre, SD = 11.30) erwartungskonform positive Zusammenhänge zwischen mentaler Stärke und verwandten Konstrukten (Selbstwirksamkeit: r = .62; alternative Erfassung der mentalen Stärke (MTI; Gucciardi, 2015): r = .69), während die Zusammenhänge mit diskriminanten Konstrukten hypothesenkonform negativ ausfielen (Angst: r = −.22, Stressbelastung: r = −.41, Rumination: r = −.41). Mit der sozialen Erwünschtheit bestand kein signifikanter Zusammenhang (r = .10).

Der VS-MTQ-G wies in Studie 3 (N = 89, Alter: M = 28.60 Jahre, SD = 10.10) eine gute Retest-Reliabilität (7 Tage) auf (r = .77).

Die deutsche Kurzversion des Mental Toughness Questionnaire (VS-MTQ-G) zeigt zufriedenstellende Reliabilität und Validität und scheint mit nur sechs Items ein ökonomisches Diagnosetool zur unidimensionalen Erfassung der mentalen Stärke zu sein. Praktische Implikationen für mögliche Einsatzbereiche werden diskutiert.

 

Validierung der deutschen Version des Coach-Athlete Relationship Questionnaire – Athlet:innen-Version (CART-Q-D)

Enno Winkler, Theresa Manges, Sascha Leisterer, Anne-Marie Elbe, Nadja Walter
Universität Leipzig, Sportwissenschaftliche Fakultät, Professur Sportpsychologie

Eine funktionale Beziehung zwischen Athlet:innen und ihren Trainer:innen ist für sportliche Höchstleistungen unerlässlich (Jowett & Shanmugam, 2016). Die Qualität dieser Beziehung lässt sich auf emotionaler (Closeness), motivationaler (Commitment) und verhaltensbezogener Ebene (Complementarity) beschreiben (Jowett, 2007). Es zeigt sich, dass eine funktionale Beziehung zwischen Athlet:in und Trainer:in mit einer Reihe von förderlichen Aspekten wie Teamzusammenhalt, Selbstkonzept der Athlet:innen oder auch Zufriedenheit von Trainer:innen und Athlet:innen assoziiert ist (Jowett & Chaundy, 2004; Jowett & Ntoumanis, 2004). Zur Erfassung der Beziehung wurde der Coach-Athlete Relationship Questionnaire (CART-Q; Jowett & Ntoumanis, 2004) entwickelt. Dieser erfasst die Trainer:in-Athlet:in-Beziehung sowohl aus Trainer:in- als auch aus Athlet:in-Perspektive und wurde in verschiedenen Sprachen validiert. Eine deutsche Version der Trainer:innen-Perspektive wurde bereits vorläufig validiert (Walter et al., 2022).

Das Ziel der vorliegenden Studie ist die Gütekriterien des Fragebogens aus Athlet:innen-Perspektive zu überprüfen. Hierzu wurde zunächst die Originalskala mit Hilfe der Forward-Backward-Methode (Brislin, 1970) sowie in Expert:innen-Diskussionen (Harkness, 2003) übersetzt und anschließend im Rahmen von Online- und Pencil-Paper-Befragungen überprüft. Für die Befragungen wurden N = 515 Athlet:innen (♀ 55.8%, Alter: M = 22.97, SD = 7.12) unterschiedlicher Sportarten und Erfahrungsniveaus in der Zeit von Oktober bis Dezember 2022 rekrutiert. Hinsichtlich der Kriteriumsvalidität (Übereinstimmungsvalidität) wurde die Leadership in Sport Scale (LSS; Würth et al., 1999) sowie Fragen zur Zufriedenheit (Athlete Satisfaction Questionnaire [ASQ], Holst et al., 2007) verwendet. Die Überprüfung erfolgte durch konfirmatorische Faktorenanalysen, Regressionsanalysen und der Berechnung von Korrelationen sowie der internen Konsistenz (Cronbach‘s Alpha). Die Analysen zum Konstrukt und zur Faktorenstruktur ergaben eine zufriedenstellende Modellpassung (TLI = 0.927, CFI = 0.946, RMSEA = 0.097, SRMR = 0.043) mit guten bis sehr guten Faktorladungen (> 0.6) sowie einer guten internen Konsistenz (⍺ > 0.8, Split-half: ⍺ = 0.874). Zudem zeigt sich die Skala als stabiles Instrument hinsichtlich Testwiederholung (n = 261, r > 0.8, vier Wochen Test-Re-Test-Intervall). Bezogen auf die Kriteriumsvalidität bestehen mittlere bis hohe Korrelationen (r = 0.30 – 0.79; p > 0.05). Zudem erklärt der CART-Q-D einen signifikanten Anteil der Varianz von Zufriedenheit (ASQ: β = 0.223–0.725, R² = 0.689) und der Beurteilung des Führungsverhaltens von Trainer:innen (LSS, z.B. soziale Unterstützung: β = 0.292, R² = 0.293).

Eine validierte Version des CART-Q-D aus Athlet:innen-Sicht komplettiert das Instrument zur Erfassung der wahrgenommenen Trainer:in-Athlet:in-Beziehung im deutschsprachigen Raum und kann darüber hinaus in zukünftigen Untersuchungen eingesetzt werden und dadurch möglicherweise zur Gestaltung und Aufrechterhaltung einer effektiven und erfolgreichen Trainer:in-Athlet:in-Dyade beitragen.

 

Wettkampfbezogene negative Kognitionen: Entwicklung und Validierung des Adverse Competion-related Cognitions Quesionnaire (ACCQ)

Alena Michel-Kröhler1, Michèle Wessa2, Stefan Berti1
1Psychologisches Institut, Johannes Gutenberg-Universität Mainz, 2Psychologisches Institut, Johannes Gutenberg-Universität Mainz; Leibniz Institut für Resilienz Forschung (LIR), Mainz

Eine Erklärung die Sporter:innen häufig für eine suboptimale Leistung bei Wettkämpfen anführen ist, dass sie mental nicht 100% präsent waren. Die Gründe hierfür können sehr vielfältig sein und beispielsweise auf persönliche Faktoren oder Faktoren aus dem Umfeld beruhen. Ziel der vorliegenden Studie war es daher, einen Fragebogen zu entwickeln, der unterschiedliche, hauptsächlich negative wettkampfbezogene Kognitionen von Sportlern:innen erfasst.

Die Studie wurde in drei Schritten durchgeführt. Zuerst generierten 101 Sportler:innen sowie 124 Trainer:innen aus verschiedenen Mannschafts- und Einzelsportarten einen großen Pool an verschiedenen Kognitionen. Dieser wurde durch ein mehrstufiges Verfahren mit unterschiedlichen Experten:innen der Sportwissenschaft und Psychologie auf einen initialen Itempool von 54 Kognitionen reduziert. Im zweiten Schritt wurde die dem Fragebogen zugrundeliegende Faktorenstruktur durch eine explorative Faktorenanalyse untersucht (N1 = 348). Anschließend wurden in der dritten Phase die Ergebnisse mit einer konfirmatorischen Faktorenanalyse (N2 = 419; TLI = .92, CFI = .93, RMSEA = .05, SRMR = .05) nochmals überprüft. Darüber hinaus wurde ein nomologisches Netzwerk verwendet, um die konvergente und divergente Validität mit etablierten (sport-)psychologischen Maßen wie beispielsweise kognitiver Interferenz, irrationalen Leistungsüberzeugungen und Angst vor negativen Evaluationen sowie dem sozialen Vergleich zu ermitteln. Der finale Fragebogen besteht aus 26 Items und sechs Faktoren: sportlicher Vergleich, Trainerabwertung, Abwertung der eigenen Leistung, Wertschätzung durch Trainer und Familie, innerer Widerstand gegen Wettkämpfe und allgemeine Erschöpfung. Zusätzliche explorative Analysen liefern vorläufige Hinweise auf geschlechts- und altersbedingte Unterschiede in den negativen wettkampfbezogenen Kognitionen der Athleten. Inwieweit jedoch ein Zusammenhang mit der tatsächlich messbaren sportlichen Leistung besteht, muss in zukünftigen Studien systematisch untersucht werden.

Mit seinem breiten Spektrum an Faktoren bietet der Adverse Competion-related Cognitions Quesionnaire ein nützliches und valides Maß zur Bewertung verschiedener negativer wettkampfbezogener Kognitionen und bietet vielfältige Anwendungsmöglichkeiten sowohl in der Forschung als auch in der sportpsychologischen Praxis.

 
10:30 - 11:30AK25: Im Fokus: Psychische Gesundheit im Nachwuchsleistungssport
Ort: V 7.02
Chair der Sitzung: Jana Strahler, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Chair der Sitzung: Ines Pfeffer, MSH Medical School Hamburg
 

Im Fokus: Psychische Gesundheit im Nachwuchsleistungssport

Chair(s): Jana Strahler (Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Deutschland), Ines Pfeffer (Medical School Hamburg, Deutschland)

Körperliche Aktivität und regelmäßiger Sport ist für jeden Menschen, unabhängig vom Alter, von Vorteil. Gerade die Adoleszenz bildet hier eine relevante Lebensphase, da diese auf vielen Ebenen eine Phase der Veränderung darstellt und mit Stress verbunden sein kann. Die meisten psychischen Störungen treten in der Jugend und im frühen Erwachsenenalter auf, wobei etwa die Hälfte dieser Störungen in der mittleren Adoleszenz auftritt. Der Sport bietet zwar eine Reihe von Vorteilen für das körperliche und mentale Befinden, doch für junge Menschen, die sich leistungssportlich betätigen, kann der Sport eine zusätzliche Stressquelle darstellen. Das intensive Training und die Wettbewerbsanforderungen an junge Sportler:innen können die Anfälligkeit für psychische Symptome und Störungen in einer ohnehin schon schwierigen Entwicklungsphase erhöhen, insbesondere im Zusammenhang mit dem Spitzensport, der durch zunehmende Professionalisierung und Spezialisierung gekennzeichnet ist. Zu den potenziellen Stressfaktoren für jugendliche Spitzensportler:innen gehören Leistungsdruck und Perfektionismus, Burnout, Aufrechterhaltung des akademischen und sozialen Gleichgewichts, zwischenmenschliche Konflikte oder Missbrauch, Verletzungen und Gehirnerschütterungen, sozialer Druck hinsichtlich Körperbild und Gewicht sowie ein gestörter Schlaf. Zusätzlich wird berichtet, dass viele junge Sportler:innen keine Bewältigungsstrategien erlernt haben, die ihnen helfen könnten, die Auswirkungen eines solch stressigen Umfelds abzumildern.

Dieses Transfersymposium bringt Forschung, Prävention und Klinik zusammen und möchte einen wechselseitigen Wissenstransfer anregen. Die drei Beiträge dieses Symposiums nehmen dabei unterschiedliche Perspektiven ein (Prävention und Therapie) und bringen verschiedene Professionen zusammen (Sportpsycholog:innen, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut:innen).

Im ersten Beitrag stellen Walter und Kolleg:innen „2Steps4Health – Ein zweistufiges Präventionsprojekt zur Förderung der psychischen Gesundheit von Nachwuchsleistungsathlet:innen“ vor. Das zweistufige Präventionsprogramm soll psychischen Belastungen z.B. depressiven Symptomen von jungen Leistungsathlet:innen vorbeugen, diese frühzeitig erkennen und bei Vorhandensein psychotherapeutisch behandeln. Das Projekt befindet sich gerade in der Startphase der Durchführung. Im zweiten Projekt stellen Kaiser und Schmitz Daten der LIFENET Studie vor, die zum einen die psychische Belastung von Nachwuchleistungssportler:innen nachzeichnet, als auch entwickelte Versorgungsangebote evaluiert. Im dritten Beitrag berichtet Kauczor-Rieck zu Besonderheiten in der kinder- und jugendpsychotherapeutischen Behandlung von psychisch belasteten/erkrankten Nachwuchsleistungssportler:innen. Dieser Beitrag stellt außerdem eine Initiative der AG Sportpsychiatrie der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie e.V. vor, ein Netzwerk an Kinder- und Jugendpsychiatern und -psychotherapeuten aufzubauen, die eine Expertise in den Besonderheiten des Leistungssports haben und Behandlungsangebote unterbreiten können.

 

Beiträge des Arbeitskreises

 

2Steps4Health – Ein zweistufiges Präventionsprojekt zur Förderung der psychischen Gesundheit von Nachwuchsleistungsathlet:innen

Nadja Walter1, Johanna Kaiser2, Barbara Braun3, Lisa Oppitz1, Josepha Richter2, Julian Schmitz2
1Universität Leipzig, Sportwissenschaftliche Fakultät, Professur Sportpsychologie, 2Universität Leipzig, Fakultät für Lebenswissenschaften, Professur Klinische Kinder- und Jugendpsychologie, 3Hochschule Macromedia

Berichte wissenschaftlicher Untersuchungen zu Prävalenzraten von psychischen Störungen bei Athleten:innen sowie personen- und umweltbezogenen Risikofaktoren lassen den Leistungssport als Gefahr für die psychische Gesundheit von Athleten:innen erscheinen (z.B. Reardon et al., 2019). Besonders Nachwuchsleistungsathlet:innen zeigen eine erhöhte Vulnerabilität für psychische Störungen, welche sich z.B. in signifikant höheren Prävalenzraten im Vergleich zu erwachsenen Leistungssportler:innen widerspiegelt (z.B. Frank et al., 2013; Junge & Feddermann-Demont, 2016; Jensen et al., 2018). Zudem weisen Studien darauf hin, dass sich bei einem frühen Krankheitsbeginn häufiger eine erhöhte Wiedererkrankungsrate sowie ein schwererer Verlauf der psychischen Störung, beispielsweise einer Depression, zeigen können (z.B. Pietsch et al., 2012). Daher sollten bestehende psychische Belastungen und Beanspruchungen möglichst frühzeitig erkannt und entsprechende Unterstützungsmöglichkeiten verfügbar gemacht werden. Das Ziel dieses – von der Robert-Enke-Stiftung geförderten – Projektes ist die Förderung der psychischen Gesundheit von Nachwuchsleistungsathlet:innen. Mit Hilfe der Entwicklung, Evaluation und langfristigen Implementierung eines zweistufigen Präventionsprogramms soll psychischen Belastungen und damit beispielsweise auch depressiven Symptomen von jungen Leistungsathlet:innen vorgebeugt, diese frühzeitig erkannt und bei Vorhandensein psychotherapeutisch behandelt werden. Das zweistufige Präventionsprogramm besteht aus einer universellen Prävention (Stufe 1) und einer indizierten Prävention (Stufe 2). In Präventionsstufe 1 lernen die Teilnehmenden im Rahmen von drei Workshops wichtige Grundlagen zu gesundheitsrelevanten Themen wie Stress und Stressverarbeitung, Kommunikation und Interaktion sowie physiologische Bedingungsfaktoren (z.B. gesunder Lebensstil) kennen und entwickeln Strategien zur Belastungsreduktion für den privaten und sportlichen Alltag. In Präventionsstufe 2 werden in einer Kleingruppe über mehrere Wochen hinweg Strategien zum Umgang mit negativen Gedanken erlernt sowie Übungen zur Selbstwertstärkung und Verbesserung der sozialen Kompetenz durchgeführt. Die Inhalte aus Stufe 1 werden hier mithilfe etablierter kognitiv-verhaltenstherapeutischer Methoden vertieft. Während Stufe 1 für alle Nachwuchsleistungsathlet:innen gedacht ist, richtet sich Stufe 2 speziell an Athlet:innen, die bereits erhöhte Belastungssymptome wie bspw. Depressivität, Trauer, Angst, Stress oder Selbstzweifel berichten. In beiden Präventionsstufen werden validierte Messinstrumente zum prä-post-follow-up-Zeitpunkt eingesetzt, wie z.B. der Youth-Self-Report (YSR 11-18, Döpfner et al., 2014) oder der Fragebogen zur Stressverarbeitung für Kinder und Jugendliche (SVF-KJ, Hampel & Petermann, 2016). Parallel hierzu sind weitere Messinstrumente zur Erhebung von Kompetenzen, aber auch hinsichtlich des Qualitätsmanagements geplant. Im Rahmen von drei großen Arbeitspaketen – Auftakt und Entwicklung, Durchführung und Evaluation sowie Transfer und langfristige Implementierung – soll das Projekt in den Jahren 2023 und 2024 umgesetzt werden. Zum aktuellen Zeitpunkt wird im Rahmen des ersten Arbeitspaketes der offizielle Start des Projektes vorbereitet.

 

LIFENET – ein Angebot für psychisch belastete Nachwuchsleistungssportler:innen

Johanna Kaiser, Julian Schmitz
Universität Leipzig, Fakultät für Lebenswissenschaften, Klinische Kinder- und Jugendpsychologie

Aktuell werden nach Angaben des DOSB allein an den 43 Eliteschulen des Sports in Deutschland ca. 11.500 Nachwuchs-Leistungssportler:innen gefördert . Die Gesamtzahl der aktiven Nachwuchsathlet:innen dürfte jedoch deutlich höher sein, wenn man bedenkt, dass bei weitem nicht alle eine Eliteschule des Sports besuchen. Eine Leistungssportkarriere bedeutet in aller Regel eine starke Stressbelastung, die unter anderem durch einen permanenten Leistungsdruck, starke körperliche Beanspruchungen und der mitunter sehr schwierigen Vereinbarkeit von Schule und Sport gekennzeichnet ist. Epidemiologische Studien legen nahe, dass psychische Störungen im Nachwuchsleistungssport häufig sind und einzelne Störungsbilder sogar eine deutlich erhöhte Prävalenz im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung aufweisen (z.B. Markser & Bär, 2019). Trotz der hohen Relevanz von psychischen Erkrankungen im Nachwuchsleistungssport fehlt es jedoch bisher an einem empirisch fundierten psychotherapeutischen Versorgungsansatz für Nachwuchsathlet:innen sowie für relevante Bezugspersonen.

In unserem Projekt wird ein klinisch-psychologisches Interventionskonzept für jugendliche Leistungssportler:innen entwickelt und empirisch evaluiert. Neben einer Datenerhebung zur psychischen Belastung von Nachwuchleistungssportler:innen umfasst das Projekt eine Reihe von Versorgungsangeboten. Dazu gehören Informationsveranstaltungen für Schüler:innen und Bezugspersonen zur Aufklärung über psychische Erkrankungen, Spezialsprechstunden als niederschwelliges Beratungsangebot, Gruppenangebote in Kooperation mit dem 2Steps4Health-Projekt, welches von der Robert-Enke-Stiftung gefördert wird, sowie die Weitervermittlung in sportpsychologische Beratungen oder psychotherapeutische Behandlungen. Alle Interventionsteile wurden mittels Selbstberichts-Fragebögen anonymisiert oder pseudonymisiert evaluiert.

Unsere Ergebnisse zeigen deutlich, dass Jugendliche im Nachwuchsleistungssport nicht weniger psychische Beanspruchungen berichten als Jugendliche ohne Leistungssportkarriere. Beispielsweise gaben 40% der befragten Athlet:innen (N=53) überdurchschnittlich hohe internale Belastungssymptome im Youth Self Report (YSR/11-18R, Döpfner et al., 2014) an. Zudem zeigten sich in der Auswertung klinisch auffällige Werte bei fast 12% der Befragten für die DSM-orientierte Subskala Depressive Symptome sowie bei fast 10% für die Subskala Angstsymptome. Die Evaluationsdaten zu den Versorgungsangeboten des Projekts belegen, dass die teilnehmenden Leistungssportler:innen und Bezugspersonen diese als hilfreich bewerteten und weiterempfehlen würden. So zeigte sich beispielsweise ein signifikanter Anstieg des Wissens über Depressionen und Angststörungen durch Informationsworkshops, während sich Stigmatisierungstendenzen signifikant reduzierten. Zudem berichteten die Workshop-Teilnehmenden signifikant mehr Selbstsicherheit im Umgang mit betroffenen Personen.

 

Wo liegen die Besonderheiten in der kinder- und jugendpsychotherapeutischen Behandlung von psychisch belasteten/erkrankten Nachwuchsleistungssportlern?

Katja Kauczor-Rieck
Universitätsklinikum des Saarlandes und Medizinische Fakultät der Universität des Saarlandes, Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie

In der Gruppe der Leistungssportler:innen zeigt sich, dass es ebenso zum Auftreten von psychischen Erkrankungen kommen kann, wie in der Gruppe der Nicht-Leistungssportler:innen. Darüber hinaus gibt es leistungssportspezifische Faktoren, wie zum Beispiel die frühe Spezialisierung auf eine Sportart, Leistungsdruck, und Erwartungen des Umfelds, Entwicklung einer Sportler-Identität etc., die ein zusätzliches Risiko für die Entwicklung einer psychischen Erkrankung darstellen können und wesentliche Relevanz in Bezug auf das Störungsmodell und damit auch für die psychotherapeutische Behandlung der Leistungsportler:innen besitzen.

Immerhin 34% der Sportler:innen berichten von emotional übergriffigen/schädlichen Erfahrungen. Kinder im Leistungssport geben den sozialen Druck, also das Gefühl Leistung bringen zu müssen, um wahrgenommen zu werden, um zu gefallen und um respektiert zu werden, als die größte Belastungskomponente an.

Am Beispiel der Essstörungen im Leistungssport, können diese zusätzlichen Risikofaktoren, aber auch die Notwendigkeit des zusätzlichen Wissens um die Strukturen und Rahmenbedingungen des Leistungssports durch die jeweiligen Psychotherapeut:innen sehr anschaulich herausgearbeitet und dargestellt werden. Neben der Schnittmenge bezüglich der wissenschaftlich belegten Entstehungsfaktoren für Essstörungen kommen bei Leistungssportler:innen mit Esstörungen noch sportspezifischen Faktoren wie Verletzungen, kritische Bemerkungen von Trainer:innen und/ oder des Umfelds, Leistungssteigerung durch niedriges Gewicht, wahrgenommener sozialer Druck.

Im Rahmen der Psychotherapie spielen diese sportspezifischen, auslösenden und aufrechterhaltenden Faktoren der Essstörung eine wesentliche Rolle in Bezug auf das Erklärungsmodell, aber auch in Bezug auf die Möglichkeiten und den Spielraum zur Verhaltensänderung der Leistungssportler: innen bei Verbleib im System des Leistungssports. Zusätzlich müssen Behandler: innen bei Leistungsportler:innen mit Essstörungen grundlegend andere Kriterien in Bezug auf die erlaubte körperliche Aktivität, die Definition des Sportgewichts, etc. berücksichtigen. Von wesentlicher Relevanz bei der Behandlung ist auch die Berücksichtigung des kompletten und sehr komplexen Bezugsystems von Leistungssportler:innen. Neben dem in der Kinder- und Jugendlichen Psychotherapie üblichen Einbezugs der Eltern, des engeren familiären Umfeldes sowie gegebenenfalls der Schule müssen bei diesen Patient:innen auch die Trainer, gegebenenfalls auch weitere Bezugspersonen aus Leistungszentren (zum Bsp.: Stützpunkttrainer:innen, Bundestrainer:innen etc.) mit einbezogen werden um den Raum für Veränderungen zu schaffen.

Es ist deshalb unser Ziel ein Netzwerk an Kinder- und Jugendpsychiatern und -psychotherapeuten aufzubauen, die eine gewisse Expertise mit den Besonderheiten im Leistungssport haben und die den jungen psychisch belasteten Leistungssportlern zeitnah und wohnortnah ein Behandlungsangebot unterbreiten können.

 
11:45 - 13:00Keynote 3: Albrecht Schmidt
Ort: V 7.02
Will artificial intelligence help humans gain superpowers?
13:00Abschluss
Ort: V 7.02