Sozialer Einfluss im Sport: Mediierende und moderierende Faktoren
Edda van Meurs1, Marius Beier1, Markus Raab2,3, Stefanie Klatt2, Bernd Strauss1
1WWU Münster, Deutschland; 2DSHS Köln, Deutschland; 3London South Bank University, England
Social facilitation ist der Effekt, den andere durch ihre bloße Anwesenheit auf eine erbrachte motorische oder kognitive Leistung haben. Die bisherige Studienlage im Sport wurde zuletzt systematisch zusammengefasst, wobei festgehalten wurde, dass die Leistung bei konditionellen Aufgaben in der Anwesenheit anderer steigt, während keine Leistungssteigerung bzw. kein Leistungsabfall bei koordinativen Aufgaben zu erkennen ist (van Meurs et al., 2022). Während Studien zu social facilitation sich mit der Anwesenheit anderer ohne Interaktion mit den Teilnehmer:innen beschäftigen, wird auch der Einfluss von anfeuernden oder ausbuhenden Zuschauer:innen untersucht. Das Verhalten der Zuschauer:innen hat aber nicht immer den intendierten Effekt: Sowohl Feld- als auch Laborstudien haben widersprüchliche Ergebnisse oder Nulleffekte gezeigt. Dennoch wird angenommen, dass Einflüsse von Zuschauer:innen durch Mediatoren wie Bedrohungswahrnehmung (z.B. Lazarus & Folkman, 1984), Selbstdarstellungstendenzen (z.B. Wallace et al., 2005), emotionale Unterstützung (z.B. Hennessy et al., 2009) oder erhöhte wahrgenommene Wichtigkeit der Leistung (z.B. Strauss, 2002) entstehen und zu Leistungsdruck und somit Verbesserungen oder Verschlechterungen führen (vgl. Strauss et al., 2023). Der Leistungsdruck wird potenziell durch die Art und das Verhalten des Publikums, der Akteur:innen, der Art der motorischen Aufgabe und der spezifischen Fähigkeit moderiert (z.B. Epting et al., 2011).
Im vorliegenden systematischen Review wird versucht, die vorhandenen Studien zu den Auswirkungen aktiver Zuschauer:innen auf motorische Leistungen zu erfassen, um mediierende und moderierende Faktoren bei motorischen Leistungen zu definieren und Forschungslücken aufzuzeigen. Im ersten Schritt wurden 11.015 Einträge in elf wissenschaftlichen Datenbanken (Scopus, PsycINFO, PsycArticles, Sport Discus, Web of Science, ProQuest Dissertations, OvidSP, PsyArXiv, OSF Preprints, SportRxiv, Theses Commons) gefunden. Zum Zeitpunkt der Einreichung werden nach einem Titel- und Abstract-Screening 97 Studien auf ihre Eignung geprüft. Die ausgewählten Studien werden zusammengefasst und die von ihnen vorgeschlagenen Mediatoren und Moderatoren in ein überprüfbares Modell integriert. Das Modell kann zukünftige sozialpsychologische Studien zum Einfluss von Zuschauer:innen leiten und könnte z.B. Erklärungen für die uneindeutigen Ergebnisse der Studien zum Heimvorteil liefern.
Leistungsunterschiede von Elite-Skispringern: Team- vs. Einzelwettkampf moderiert den Einfluss von Motivausprägungen
Florian Müller, Stephan Hocke, Rouwen Cañal-Bruland
Friedrich-Schiller-Universität Jena, Deutschland
Interindividuelle Unterschiede im Leistungs-, Bindungs- oder Machtmotiv beeinflussen, welche Arten von Anreizen Personen als Verstärker erleben (z.B. McClelland, Koestner & Weinberger, 1989). Ein Großteil bisheriger Forschung zum Einfluss von Motivunterschieden auf motorische Leistung behandelt die Rolle des Leistungsmotivs in Laborsettings (Müller & Cañal-Bruland, 2020). Im Gegensatz dazu haben nur wenige Studien den Einfluss des Macht- oder Bindungsmotivs untersucht oder ökologisch valide Feldsettings eingesetzt. Die aktuelle quasiexperimentelle Studie füllt diese Lücke, indem der Einfluss der Motive – insbesondere des Bindungs- und Machtmotivs – von Skispringern auf deren Leistung im Einzel- und Teamwettkampf untersucht wird. Dazu wurden von insgesamt 19 deutschsprachigen männlichen Skispringern die Motive Leistung, Bindung und Macht sowohl über das Multi-Motiv-Gitter als auch die Unified Motive Scales erfasst. Die Leistung im Skisprung wurde durch die Nutzung von Archivdaten operationalisiert. Aufbauend auf bisherigen Befunden (siehe Müller & Cañal-Bruland, 2020) wurde davon ausgegangen, dass die Leistung im Einzelwettkampf durch das Machtmotiv (Wettkampf als Machtmotivanreiz) und die Leistung im Teamwettkampf durch das Bindungsmotiv (Teamleistung als Bindungsmotivanreiz) beeinflusst werden. Eine hierarchische lineare Modellierung des Einflusses der Motive auf die Wettkampfleistung in Abhängigkeit des Wettkampfformats (Einzel vs. Team) zeigte, dass vor allem der Einfluss des Bindungsmotivs auf die Leistung durch das Wettkampfformat moderiert wurde, p = .015: Während ein starkes Bindungsmotiv der Leistung im Einzel abträglich war (Mangel an Bindungsmotivanreiz), verschwand dieser Effekt in der Teambedingung. Die Implikationen dieses Befundes für die Motivforschung einerseits und für mögliche Strategien in der Teamzusammensetzung andererseits werden diskutiert.
Wie wird eine Leistungskrise in Sportmannschaften ausgelöst? – Die Rolle von Erwartungen, Attribution und Konsequenzen
Stephanie Bünemann1, Charlotte Raue-Behlau1, Katherine Tamminen2, Bernd Strauss1
1Westfälische Wilhelms-Universität Münster, Deutschland; 2University of Toronto
In der Saison 2020/2021 verlor der FC Schalke 04 ein Spiel nach dem anderen und stieg letztendlich aus der 1. Bundesliga in die 2. Bundesliga ab – ein Beispiel für eine sportliche Leistungskrise. Eine Krise im Team ist definiert als anhaltend unzureichende Leistung, begleitet von Bedrohlichkeitsbewertungen der Mannschaftsmitglieder, sowie deren Unfähigkeit diese Bedrohung zu bewältigen, was wiederum zu geringer Teamfunktion führt (adaptierte Definition nach Billings et al., 1980; Pearson & Clair, 1998). Ziel dieser Studien ist es Faktoren zu überprüfen, die eine Krise begünstigen. Hohe Erwartungen ein Spiel zu gewinnen, hohe Konsequenzen eines verlorenen Spiels und unkontrollierbare Attributionen könnten eine Krise auslösen, indem sie eine Bewertung als bedrohlich induzieren (Sweeny, 2008). Um diese Faktoren zu überprüfen, wurde eine Onlinestudie durchgeführt, in der sich Athlet:innen in Situationen hineinversetzen und Bedrohlichkeitseinschätzungen abgeben sollten. In einer Folgestudie werden aktuell Athlet:innen an tatsächlichen Wettkampftagen befragt.
Für Studie 1 haben 396 Mannschaftssportler:innen (MAlter=27.9, SDAlter=8.1, 178 weiblich) Fallvignetten gelesen, in denen Erwartungen, Konsequenzen und Attribution manipuliert wurden. Daraufhin füllten sie einen Fragebogen zur Bedrohlichkeit, Emotionen und Teamfaktoren aus. Bedrohlichkeitseinschätzungen wurden mit einer ins Deutsche übersetzten und auf Teams angepassten Version der Challenge and Threat in Sports Scale (Rossato et al., 2018) und Emotionen über den deutschen Sport Emotion Questionnaire (Wetzel, Weigelt & Klingsieck, 2020) erhoben. In einer 2×2×2-faktoriellen ANOVA zeigten sich keine signifikanten Haupt- oder Interaktionseffekte. Explorative Analysen ergaben, dass Athlet:innen, denen eine unkontrollierbare Situation beschrieben wurde, zukünftige Spiele ebenfalls als unkontrollierbarer einschätzten (t(385.47)=1.98, p<.05), jedoch mit einem kleinen Effekt, d=.2. Aufgabenbezogene Kohäsion (r(394)=-.17, p<.05; r(394)=-.12, p<.05) und kollektive Selbstwirksamkeit (r(394)=-.22 p<.01) hingen negativ mit Bedrohlichkeitseinschätzungen zusammen.
Bei Studie 2 haben bisher 163 Athlet:innen aus 27 Teams teilgenommen (Stand: 27.01.2023). Sie wurden vor und nach ihrem Wettkampf zu Erwartungen, Konsequenzen und Attributionen, sowie zu der Einschätzung der Bedrohlichkeit des (nächsten) Wettkampfs befragt. Erste deskriptive Analysen zeigen niedrige Bedrohlichkeitswerte (Mvor_Wettkampf=2.28 bzw. Mnach_Wettkampf =2.16). Allerdings hat der Großteil der befragten Mannschaften ihr Spiel an diesem Tag gewonnen (ngewonnen=90; nverloren=46; nunentschieden=27).
Niedrige Bedrohlichkeitseinschätzungen der Vignettenstudie in Studie 1 könnten zu den nicht-signifikanten Ergebnissen geführt haben. In weiteren Analysen zu Studie 2 sollten schlecht gelaufene Spiele im Vergleich zu gut gelaufenen Spielen betrachtet werden, um Schlussfolgerungen zur Entstehung von Krisen zu ziehen. Insgesamt befindet sich Krisenforschung in den Kinderschuhen, weshalb diese Studie als erste Schritte verstanden werden können. In weiteren Studien ist vor allem der zeitliche Verlauf und die Entwicklung von Teamprozessen zu betrachten.
Eine Grounded Theory zur Entstehung kollektiver Krisen im professionellen Fußball aus der Sicht der Fußballspieler
Darko Jekauc1, Nicola Böhlke2, Vanessa Wergin3, Damir Vrancic2, Julian Fritsch1
1Karlsruher Institut für Technologie; 2Technische Universität Braunschweig; 3University of Queensland
Sportliche Krisen im Profifußball, die sich auf ein unerwartet schwaches Abschneiden einer Mannschaft in einer Saison beziehen, betreffen jede Saison mehrere Mannschaften und sind mit erheblichen wirtschaftlichen Folgen für den Verein (z.B. durch Abstieg) verbunden (Leister, 2018). Dabei haben unerklärliche Leistungsschwankungen oder -einbrüche von Fußballmannschaften über einen längeren Zeitraum (z. B. über mehrere Matches) auch eine psychologische Seite. Insgesamt ist jedoch relativ wenig darüber bekannt, wie sie entstehen und welche Umstände sie bedingen.
Ziel der vorliegenden Studie ist es, aus sportpsychologischer Sicht Erkenntnisse über die Entstehung und den Verlauf von Sportkrisen im Fußball zu gewinnen. Zu diesem Zweck wurde eine qualitative Studie mit drei ehemaligen und sechs aktuellen männlichen Profifußballern mit einem Durchschnittsalter von 32,6 Jahren (SD = 5.2 Jahre) durchgeführt, die in diversen europäischen Erstligen spielten. Die Datenerhebung basierte auf halbstandardisierten problemzentrierten Interviews. Zur Analyse der Daten wurde die Methode der Reflexive Grounded Theory (Breuer, Muckel, & Dieris, 2017) verwendet.
Die vorläufigen Ergebnisse dieser Studie zeigen, dass der Ausgangspunkt vieler Krisen oft das Nichterreichen von vorherigen hohen Erwartungen der Teams/an das Team ist, wobei sich die Auswirkungen auf Spieler- und Mannschaftsebene manifestieren und begünstigende Faktoren sowohl innerhalb als auch außerhalb der Mannschaft auftreten können. So kommt es auf individueller Ebene zu Angst, Anspannung, Angespanntheit, negativer Körpersprache, Grübeln und vermindertem Selbstvertrauen. Auf der Teamebene verschlechtern sich die Stimmung, es kommt zu Gruppenbildung und Ressentiments und es entstehen Konflikte, die zu dysfunktionaler Kommunikation und mangelndem Zusammenhalt führen. Externer Druck, der sowohl die Spieler als auch den Trainer betrifft, wirkt als begünstigender Faktor für die Entwicklung von Krisen. Das kollektive Handeln in einem Fußballspiel entwickelt sich zu einer eher defensiven Haltung sowie dem Bestreben zur Vermeidung von Fehlern und Verantwortung, was sich in einer verminderten Leistung der Mannschaft äußert. Der Leistungsabfall führt in der Regel zu schlechteren Spielergebnissen, die den Prozess der Krise weiter aufrechterhalten und sogar verstärken. Darüber hinaus beeinflussen auch soziale Bedingungen wie die Medienlandschaft, einmalige Ereignisse (z.B. die Corona-Krise), Vereinsstrukturen oder Fans sowie individuelle Bedingungen wie Krisenerfahrungen, Resilienz der Spieler, familiärer Zusammenhalt oder Unterstützung durch Freunde die Entwicklung der Krise. Insgesamt werden diese Prozesse im Modell durch eine Abwärtsspirale dargestellt, die einen kreisläufigen Prozess verdeutlicht, in dem psychologische Konzepte (wie Druck, etc.) in ihrer Negativwirkung auf das emotionale Befinden der Mannschaft ineinandergreifen. Die Ergebnisse dieser Studie geben Hinweise darauf, welche psychologischen Prozesse an der Entstehung und Entwicklung von sportlichen Krisen aus der Perspektive von Profifußballern beteiligt sind.
Differences between Parent Spectator Observations and Self-Reported Behaviors in US Youth Soccer
Charlotte Mohn, Jerry F. Reynolds, Matt Moore, Nii Nortey
Ball State University, Muncie, IN, United States
Youth sports has been recognized to be impacted by parent spectator behaviors (US Dept of Health and Human Services, 2019). Social exchange theory can be used to explain parent spectator behavior. For example, appropriate parent engagement provides encouragement and realistic expectations for children (Dorsch et al., 2009; Dorsch et al., 2021). However, these potential benefits of parental engagement on youth sport participation have been questioned due to violent spectator behaviors (Docheff & Conn, 2004; Fields et al., 2010; Fiore, 2003), and have been linked to the decreasing numbers of youth sport participation in the United States (Aspen Institute, 2015, 2019). It has been criticized that these disruptions in youth sport participation may create environments that are counterproductive for positive experiences of athletes, coaches, referees, and other spectators (Jeanfreau et al., 2020). Past research has focused on parents’ spectator behavior through the lens of background anger, interactions between two spectators leading to the distress of youth players (Omli & LaVoi, 2009), and found discrepancies between self-reported behaviors and observed behaviors in youth sports (Reynolds, 2020). However, no previous research was conducted looking at differences in frequencies of sideline actions of spectator behaviors (self-reported vs. observed) by competition levels. Thus, this pilot study examined data of 114 parent spectators from youth soccer players from a midwestern state in the United States to address this concern. Omli & LaVoi’s (2009) framework for spectator behavior was used to assess the frequency of self-reported and observed parent sideline actions. Descriptive data was used to compare average frequencies between different sideline actions of self-reported and observed behaviors (e.g., yelling at the referee in a demeaning manner either self or another spectator). Further, an independent t-test was used to examine differences in competition levels of these frequencies in sideline actions between observed and self-reported behaviors. Results showed differences between sideline actions of observed and self-reported behaviors. For example, the sideline action of coaching from the sidelines (not as a coach) had a mean of 3.56 (SD = 1.07) for observed behavior whereas the mean of the same sideline action for self-reported behavior was 2.11 (SD = 1.14). These differences were further found between competition levels (i.e., recreational vs. travel), t(94.57) = 7.38, p < .001. The total mean comprising all sideline actions was higher in the more competitive setting (i.e., travel) with a mean of 2.43 (SD = .27) compared to the less competitive setting (i.e., recreational) with 1.62 (SD = .35). These results support previous concerns regarding the influence of parent engagement on youth sport experiences and can be used to identify organizational strategies and practices that guide parent engagement. Directions for future research will be provided.
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