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Sitzungsübersicht
Sitzung
AK20: Aktuelle und neue Messinstrumente in der Sportpsychologie
Zeit:
Samstag, 20.05.2023:
9:00 - 10:00

Chair der Sitzung: Alena Michel-Kröhler, Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Diskutant*in: Oliver Höner, Universität Tübingen
Ort: V 7.02

401 Plätze

Präsentationen

Aktuelle und neue Messinstrumente in der Sportpsychologie

Chair(s): Alena Michel-Kröhler (Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Deutschland)

Diskutant*in(nen): Oliver Höner (Eberhard Karls Universität Tübingen)

Obwohl sich verschiedene Forschungsprojekte immer wieder mit der Entwicklung und Evaluation sportpsychologischer Konzepte und Verfahren befassen, fehlen im deutschsprachigen Raum weiterhin Messinstrumente zur Erfassung wichtiger psychologischer (Leistungs-)Voraussetzungen von Athlet:innen (Lobinger & Stoll, 2019) oder sind teilweise nur unzureichend empirisch validiert (Neumann, 2011). Häufig werden keine sportspezifischen Messinstrumente verwendet oder englischsprachige Fragebögen ins Deutsche übersetzt ohne zusätzliche Angaben von weiteren psychometrischen Informationen, die zur Einschätzung ihrer Gültigkeit, Zuverlässigkeit und Robustheit notwendig sind. Für viele Forschungsfragen und die Anwendung in der Praxis sind jedoch sportspezifische Messinstrumente unerlässlich, um psychische (Leistungs-)Voraussetzungen von Athlet:innen adäquat zu erfassen (Lobinger & Stoll, 2019; Neumann, 2011; Wolf et al., 2020). Ziel dieses Symposiums ist es daher einen Überblick über neu entwickelte Fragebögen aus dem deutschen Sprachraum zu geben, die individuelle und situative (Leistungs-)Voraussetzungen von Athlet:innen erfassen und deren praktische Implikationen für potenzielle Einsatzbereiche zu diskutieren.

Der erste von drei Beiträgen beschäftigt sich mit der Erfassung der mentalen Stärke von Athlet:innen, welche als ein wichtiges erfolgsbestimmendes psychologisches Merkmal angesehen werden kann. Dabei stellt der Mental Toughness Questionnaire (Clough et al., 2002), basierend auf dem 4-C-Modell mit seinen vier Subdimensionen (challenge, commitment, control, und confidence), das am häufigsten verwendete Messinstrument im angloamerikanischen Raum dar. Dziuba und Kolleg:innen haben die deutsche Übersetzung des Fragebogens (Gerber et al., 2012) in mehreren Studien validiert und stellen eine 6-Item Kurzversion des Mental Toughness Questionnaire (VS MTQ-G) vor, mit welcher die mentale Stärke der Athlet:innen zukünftig ökomisch erfasst werden kann.

In dem zweiten Beitrag präsentieren Walter und Kolleg:innen die Validierung der deutschen Athlet:innen Version des Coach-Athlete Relationship Questionnaires (CART-Q-D; englische Originalversion: Jowett & Ntoumanis, 2004). Eine funktionale Trainer:innen-Athlet:innen-Beziehung gilt als essentiell für die sportliche Leistung und stellt somit eine weitere, bedeutende situative (Leistungs-)Komponente dar. Der CART-Q-D erfasst die Qualität der Beziehung auf emotionaler, motivationaler und verhaltensbezogener Ebene. Somit können mittels des CART-Q-D zukünftig Beziehungsfragen zwischen Trainer:innen und Athlet:innen aufgedeckt werden, die sich auf die Leistung, Erfolge, und die Zufriedenheit der Athlet:innen auswirken.

Abschließend stellen Michel-Kröhler und Kolleg:innen einen Fragebogen zur Erfassung von wettkampfbezogenen negativen Kognitionen (Adverse Competion-related Cognitions Quesionnaire; ACCQ) vor. Der ACCQ wurde durch ein mehrstufiges Verfahren entwickelt und besteht aus sechs Faktoren, die sowohl individuelle als auch situative (Leistungs-)Komponenten wie beispielsweise die (Ab-)Wertung der eigenen Leistung erfassen. Aufgrund der Vielseitigkeit der Faktoren eignet sich der ACCQ zur initialen „Diagnostik“ und kann bei der Identifizierung von Gedanken unterstützen, die unmittelbar vor oder während eines Wettkampfes bei Athlet:innen auftreten können.

 

Beiträge des Arbeitskreises

 

Validierung der deutschen Kurzversion des Mental Toughness Questionnaire (VS MTQ-G)

Anna Dziuba1, Fabienne Ennigkeit2, Markus Gerber3, Chris Englert2
1Goethe Universität Frankfurt; Institut für Sportwissenschaften, Institut für Sport und Sportwissenschaften, Karlsruher Institut für Technologie, 2Goethe Universität Frankfurt, Institut für Sportwissenschaften, 3Departement für Sport, Bewegung und Gesundheit, Universität Basel

Zahlreiche Studien weisen darauf hin, dass mentale Stärke einen wichtigen Faktor im (Leistungs-)Sport darstellt (Cowden et al., 2020). Zur Erfassung mentaler Stärke existieren im angloamerikanischen Raum eine Vielzahl unterschiedlicher Messinstrumente (Farnsworth, 2021), wobei der Mental Toughness Questionnaire (MTQ-48; Clough et al., 2002) als eines der am häufigsten eingesetzten Instrumente anzusehen ist. Der MTQ-48 basiert auf den Annahmen des 4-C-Modells von Clough et al. (2002) und setzt sich aus vier (bzw. sechs) diskreten, aber miteinander verbundenen Faktoren zusammen: Kontrolle (mit den Subdimensionen Emotionen und Leben), Commitment, Herausforderung und Selbstvertrauen (mit den Subdimensionen Fähigkeiten und interpersonale Beziehungen). Neben der Originalversion des MTQ-48 liegen verschiedene Kurzversionen der Skala vor: MTQ-18 (Clough et al., 2002), MTQ-10 (Papageorgiou et al., 2018), S-MTQ und VS-MTQ (Kawabata et al., 2021). Deren psychometrische Eigenschaften werden kontrovers diskutiert. Das Ziel dieses Vortrags ist es, die Validierung der deutschen Kurzversion (VS MTQ-G) zu präsentieren. Neben der Untersuchung der Faktorenstruktur wurden auch die konvergente und diskriminante Validität sowie die Retest-Reliabilität geprüft.

In Studie 1 wurde die Faktorenstruktur der deutschen Übersetzung des MTQ-48 (Gerber et al., 2012) und der Kurzversionen überprüft (N = 292, Alter: M = 34.60 Jahre, SD = 14.30), wobei das Ein-Faktor-Modell des VS-MTQ den besten Fit (TLI = .962, CFI = .977, RMSEA = .050, SRMR = .033) mit akzeptabler interner Konsistenz (ω = .77) aufwies. Für alle Items ergaben sich akzeptable Faktorladungen zwischen 0.48 und 0.74. Basierend auf diesen Ergebnissen wurde in den Studien 2 und 3 die deutsche Kurzversion des Mental Toughness Questionnaire (VS-MTQ-G) verwendet.

Hinsichtlich der konvergenten und diskriminanten Validität ergaben sich in Studie 2 (N = 201, Alter: M = 29.50 Jahre, SD = 11.30) erwartungskonform positive Zusammenhänge zwischen mentaler Stärke und verwandten Konstrukten (Selbstwirksamkeit: r = .62; alternative Erfassung der mentalen Stärke (MTI; Gucciardi, 2015): r = .69), während die Zusammenhänge mit diskriminanten Konstrukten hypothesenkonform negativ ausfielen (Angst: r = −.22, Stressbelastung: r = −.41, Rumination: r = −.41). Mit der sozialen Erwünschtheit bestand kein signifikanter Zusammenhang (r = .10).

Der VS-MTQ-G wies in Studie 3 (N = 89, Alter: M = 28.60 Jahre, SD = 10.10) eine gute Retest-Reliabilität (7 Tage) auf (r = .77).

Die deutsche Kurzversion des Mental Toughness Questionnaire (VS-MTQ-G) zeigt zufriedenstellende Reliabilität und Validität und scheint mit nur sechs Items ein ökonomisches Diagnosetool zur unidimensionalen Erfassung der mentalen Stärke zu sein. Praktische Implikationen für mögliche Einsatzbereiche werden diskutiert.

 

Validierung der deutschen Version des Coach-Athlete Relationship Questionnaire – Athlet:innen-Version (CART-Q-D)

Enno Winkler, Theresa Manges, Sascha Leisterer, Anne-Marie Elbe, Nadja Walter
Universität Leipzig, Sportwissenschaftliche Fakultät, Professur Sportpsychologie

Eine funktionale Beziehung zwischen Athlet:innen und ihren Trainer:innen ist für sportliche Höchstleistungen unerlässlich (Jowett & Shanmugam, 2016). Die Qualität dieser Beziehung lässt sich auf emotionaler (Closeness), motivationaler (Commitment) und verhaltensbezogener Ebene (Complementarity) beschreiben (Jowett, 2007). Es zeigt sich, dass eine funktionale Beziehung zwischen Athlet:in und Trainer:in mit einer Reihe von förderlichen Aspekten wie Teamzusammenhalt, Selbstkonzept der Athlet:innen oder auch Zufriedenheit von Trainer:innen und Athlet:innen assoziiert ist (Jowett & Chaundy, 2004; Jowett & Ntoumanis, 2004). Zur Erfassung der Beziehung wurde der Coach-Athlete Relationship Questionnaire (CART-Q; Jowett & Ntoumanis, 2004) entwickelt. Dieser erfasst die Trainer:in-Athlet:in-Beziehung sowohl aus Trainer:in- als auch aus Athlet:in-Perspektive und wurde in verschiedenen Sprachen validiert. Eine deutsche Version der Trainer:innen-Perspektive wurde bereits vorläufig validiert (Walter et al., 2022).

Das Ziel der vorliegenden Studie ist die Gütekriterien des Fragebogens aus Athlet:innen-Perspektive zu überprüfen. Hierzu wurde zunächst die Originalskala mit Hilfe der Forward-Backward-Methode (Brislin, 1970) sowie in Expert:innen-Diskussionen (Harkness, 2003) übersetzt und anschließend im Rahmen von Online- und Pencil-Paper-Befragungen überprüft. Für die Befragungen wurden N = 515 Athlet:innen (♀ 55.8%, Alter: M = 22.97, SD = 7.12) unterschiedlicher Sportarten und Erfahrungsniveaus in der Zeit von Oktober bis Dezember 2022 rekrutiert. Hinsichtlich der Kriteriumsvalidität (Übereinstimmungsvalidität) wurde die Leadership in Sport Scale (LSS; Würth et al., 1999) sowie Fragen zur Zufriedenheit (Athlete Satisfaction Questionnaire [ASQ], Holst et al., 2007) verwendet. Die Überprüfung erfolgte durch konfirmatorische Faktorenanalysen, Regressionsanalysen und der Berechnung von Korrelationen sowie der internen Konsistenz (Cronbach‘s Alpha). Die Analysen zum Konstrukt und zur Faktorenstruktur ergaben eine zufriedenstellende Modellpassung (TLI = 0.927, CFI = 0.946, RMSEA = 0.097, SRMR = 0.043) mit guten bis sehr guten Faktorladungen (> 0.6) sowie einer guten internen Konsistenz (⍺ > 0.8, Split-half: ⍺ = 0.874). Zudem zeigt sich die Skala als stabiles Instrument hinsichtlich Testwiederholung (n = 261, r > 0.8, vier Wochen Test-Re-Test-Intervall). Bezogen auf die Kriteriumsvalidität bestehen mittlere bis hohe Korrelationen (r = 0.30 – 0.79; p > 0.05). Zudem erklärt der CART-Q-D einen signifikanten Anteil der Varianz von Zufriedenheit (ASQ: β = 0.223–0.725, R² = 0.689) und der Beurteilung des Führungsverhaltens von Trainer:innen (LSS, z.B. soziale Unterstützung: β = 0.292, R² = 0.293).

Eine validierte Version des CART-Q-D aus Athlet:innen-Sicht komplettiert das Instrument zur Erfassung der wahrgenommenen Trainer:in-Athlet:in-Beziehung im deutschsprachigen Raum und kann darüber hinaus in zukünftigen Untersuchungen eingesetzt werden und dadurch möglicherweise zur Gestaltung und Aufrechterhaltung einer effektiven und erfolgreichen Trainer:in-Athlet:in-Dyade beitragen.

 

Wettkampfbezogene negative Kognitionen: Entwicklung und Validierung des Adverse Competion-related Cognitions Quesionnaire (ACCQ)

Alena Michel-Kröhler1, Michèle Wessa2, Stefan Berti1
1Psychologisches Institut, Johannes Gutenberg-Universität Mainz, 2Psychologisches Institut, Johannes Gutenberg-Universität Mainz; Leibniz Institut für Resilienz Forschung (LIR), Mainz

Eine Erklärung die Sporter:innen häufig für eine suboptimale Leistung bei Wettkämpfen anführen ist, dass sie mental nicht 100% präsent waren. Die Gründe hierfür können sehr vielfältig sein und beispielsweise auf persönliche Faktoren oder Faktoren aus dem Umfeld beruhen. Ziel der vorliegenden Studie war es daher, einen Fragebogen zu entwickeln, der unterschiedliche, hauptsächlich negative wettkampfbezogene Kognitionen von Sportlern:innen erfasst.

Die Studie wurde in drei Schritten durchgeführt. Zuerst generierten 101 Sportler:innen sowie 124 Trainer:innen aus verschiedenen Mannschafts- und Einzelsportarten einen großen Pool an verschiedenen Kognitionen. Dieser wurde durch ein mehrstufiges Verfahren mit unterschiedlichen Experten:innen der Sportwissenschaft und Psychologie auf einen initialen Itempool von 54 Kognitionen reduziert. Im zweiten Schritt wurde die dem Fragebogen zugrundeliegende Faktorenstruktur durch eine explorative Faktorenanalyse untersucht (N1 = 348). Anschließend wurden in der dritten Phase die Ergebnisse mit einer konfirmatorischen Faktorenanalyse (N2 = 419; TLI = .92, CFI = .93, RMSEA = .05, SRMR = .05) nochmals überprüft. Darüber hinaus wurde ein nomologisches Netzwerk verwendet, um die konvergente und divergente Validität mit etablierten (sport-)psychologischen Maßen wie beispielsweise kognitiver Interferenz, irrationalen Leistungsüberzeugungen und Angst vor negativen Evaluationen sowie dem sozialen Vergleich zu ermitteln. Der finale Fragebogen besteht aus 26 Items und sechs Faktoren: sportlicher Vergleich, Trainerabwertung, Abwertung der eigenen Leistung, Wertschätzung durch Trainer und Familie, innerer Widerstand gegen Wettkämpfe und allgemeine Erschöpfung. Zusätzliche explorative Analysen liefern vorläufige Hinweise auf geschlechts- und altersbedingte Unterschiede in den negativen wettkampfbezogenen Kognitionen der Athleten. Inwieweit jedoch ein Zusammenhang mit der tatsächlich messbaren sportlichen Leistung besteht, muss in zukünftigen Studien systematisch untersucht werden.

Mit seinem breiten Spektrum an Faktoren bietet der Adverse Competion-related Cognitions Quesionnaire ein nützliches und valides Maß zur Bewertung verschiedener negativer wettkampfbezogener Kognitionen und bietet vielfältige Anwendungsmöglichkeiten sowohl in der Forschung als auch in der sportpsychologischen Praxis.