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Sitzungsübersicht
Sitzung
AK07: Interpersonale Gewalt im Sport
Zeit:
Freitag, 19.05.2023:
8:30 - 10:00

Chair der Sitzung: Alina Schäfer-Pels
Ort: V 7.11

98 Plätze

Präsentationen

Interpersonale Gewalt im Sport

Chair(s): Alina Schäfer-Pels (Universitätsklinikum Ulm, Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie)

Das Auftreten interpersonaler Gewalt im Sport ist Prävalenzstudien zufolge weit verbreitet und ein etwa genauso häufiges Phänomen wie in anderen gesellschaftlichen Bereichen. Um dem Auftreten interpersonaler Gewalt im Sport entgegenzuwirken und die Aufarbeitung zurückliegender Fälle zu fördern, sind in den letzten Jahren sowohl in der Forschungslandschaft als auch in der Praxis Projekte entstanden und Maßnahmen ergriffen wurden.

Dieses Forschungssymposium hat zum Ziel, Einblicke in ausgewählte Projekte und Projektergebnisse aus der Forschung, teilweise mit der Schnittstelle zur Praxis, zu geben. Dabei wird der Fokus auf Prävalenzen, die Trainer*in-Athlet*in-Beziehung, die Aufarbeitung sowie die Implementierung von Präventionskonzepten in die Praxis gelegt.

(1) Der Beitrag von Greither et al. beschäftigt sich mit der Prävalenz interpersoneller Gewalt im Breiten- und Vereinssport, da in diesem Bereich bislang spezifische Kennzahlen fehlen. Die Ergebnisse der Querschnittsbefragung belegen, dass interpersonelle Gewalt in Sportvereinen verbreitet auftritt und ein Großteil der Sportler*innen (70%) diese mindestens einmal im Verein erlebt. Auf Basis der Studie können evidenzbasierte Maßnahmen zur Prävention entwickelt und bestehende Konzepte verbessert werden.

(2) In dem Beitrag von Schäfer-Pels et al. wird der Frage nachgegangen, ob emotionale Nähe in der Trainer*in-Athlet*in-Beziehung Rollendiffusion erklären kann. Die Ergebnisse belegen, dass emotionale Nähe insbesondere zur Varianzaufklärung hinsichtlich der Einflussnahme von Trainer*innen auch außerhalb des Sportkontexts sowie zu Grenzüberschreitungen beitragen kann.

(3) Der Beitrag von Wahnschaffe-Waldhoff et al. stellt den Aspekt der Aufarbeitung betroffener Personen von sexualisierter Gewalt im Sport in den Fokus. Es werden die Ergebnisse einer umfangreichen qualitativen Studie präsentiert. Diese zeigen unter anderem, dass Erfahrungen sexualisierter Gewalt aus individuell-biografischer Perspektive vielfältige gewaltbegünstigende Lebensumstände vorangehen sowie verschiedenste persönliche Folgen identifiziert werden können.

(4) Der Beitrag von Schmitz et al. präsentiert das Projekt »Safe Clubs«. Dieses Projekt zielt darauf ab, die Prävention von interpersonaler Gewalt in Sportvereinen ganzheitlich zu verbessern, indem die Bereiche Analyse, Prävention und Intervention im Kinder- und Jugendschutz abgedeckt werden. Im Anschluss an eine Beschreibung des Gesamtprojektes werden zwei Teilprojekte detaillierter beschrieben. Diese haben zum Ziel, in Sportvereinen eine Kultur des Hinsehens zu etablieren und das Empowerment von Sportler*innen durch Interventionen mit allen Akteursgruppen in Sportvereinen zu stärken. Erste Ergebnisse dieses Projektes werden im Rahmen des Beitrags vorgestellt.

(5) Staufenbiel et al. liefern einen Beitrag dazu, wie Sportorganisationen interpersonaler Gewalt (präventiv) begegnen können und stellt den gesamtverbandlichen Kultur- und Strukturwandelprozess „Leistung mit Respekt“ im Deutschen Turner-Bund vor. Neben dem Aufbau, der Vorgehensweise und den Learnings des Prozesses werden auch die Ergebnisse einer Befragung unter Athlet*innen, Trainer*innen, Eltern und Funktionär*innen dargestellt.

 

Beiträge des Arbeitskreises

 

„SicherImSport“ - Interpersonale Gewalt im organisierten Sport: Häufigkeiten und Formen

Teresa Greither, Sophia Mayer, Thea Rau, Marc Allroggen
Universitätsklinikum Ulm, Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie

Begleitet von erhöhter medialer Aufmerksamkeit und unterstützt von Forderungen bekannter Athlet*innen rückte das Thema Schutz vor Gewalt im Sport in jüngster Zeit vermehrt in den Fokus. Wie die Studie „SafeSport“ (Rulofs et al., 2016, Ohlert et al., 2020) zeigte, sind Erfahrungen interpersonaler Gewalt im Leistungssport weit verbreitet: 87% der befragten Kadersportler*innen berichteten von psychischer Gewalt, 29% von physischer und 37% sexualisierter Gewalt. Die Vorkommnisse spielen sich häufig in Sportvereinen ab, welche wiederum meist nicht ausreichend für das Thema aktiviert sind und bislang wenige Maßnahmen zum Schutz vor Gewalt umsetzen (Rulofs et al., 2016). Gerade in Sportvereinen, welche die Basis des deutschen Sportsystems bilden, ist der Schutz vor Gewalt von besonderer Relevanz, bieten sie doch zahlreichen Kindern und Jugendlichen Freizeit-, Bewegungs- und Entwicklungsmöglichkeiten. Ziel der Studie „SicherImSport“ ist daher, das Ausmaß von (sexualisierten) Grenzverletzungen, Belästigung und Gewalt im vereinsorganisierten Breitensport zu erforschen. Damit soll die Forschungslücke in Bezug auf die Prävalenz von interpersoneller Gewalt im Breitensport geschlossen werden. Zudem wird dabei auch den Fragen nachgegangen, inwiefern die unterschiedlichen Gewaltformen, z.B. psychische und körperliche Gewalt, miteinander verbunden sind und in welchen Settings und Konstellationen Gewalt auftritt. Mit Unterstützung von elf Landessportbünden wurden aktive und ehemalige Sportvereinsmitglieder aus Deutschland rekrutiert, welche an einer Online-Querschnittsbefragung teilnahmen (N = 4.367). Die Befragung umfasste Fragen zu Erfahrungen interpersonaler Gewalt (psychische, physische, sexualisierte Gewalt, Vernachlässigung) jeweils innerhalb und außerhalb des Sportkontexts, sowie Fragen zum Kontext der Erfahrungen. 70% der Befragten geben an, dass sie mindestens einmal eine Form interpersonaler Gewalt im Sport erlebt haben. Die am häufigsten berichtete Gewaltform ist psychische Gewalt (64%), gefolgt von physischer Gewalt (37%), sexualisierter Gewalt ohne (26%) bzw. mit Körperkontakt (19%) und Vernachlässigung (15%). Die Gewaltformen treten weithin überlappend auf und häufig werden mehrere Gewaltformen erfahren. Erfahrungen innerhalb und außerhalb des Sports überschneiden sich ebenso stark: Die Mehrheit der Befragten, die interpersonelle Gewalt im Vereinssport erlebt haben, erlebte diese auch außerhalb des Vereinssports. Die Ergebnisse verdeutlichen die Wichtigkeit des Schutzes vor Gewalt in allen Bereichen des organisierten Sportes bis hinein in den Breitensport. Eine gesamtheitliche Strategie zur Prävention sollte alle Formen interpersonaler Gewalt aufgreifen und nicht auf einzelne Aspekte wie sexualisierte Gewalt fokussieren. Weiterhin ist die sportspezifische Betrachtung des Kontexts interpersonaler Gewalt bedeutsam zur Differenzierung der Erfahrungen. Auf Basis der Ergebnisse können Präventions- und Interventionsstrategien für Sportvereine zielgerichtet entwickelt und angepasst werden, sodass diese zukünftig besser wahrgenommen und genutzt werden.

 

Emotionale Nähe und Rollendiffusion in der Trainer*in-Athlet*in-Beziehung

Alina Schäfer-Pels1, Jeannine Ohlert2, Marc Allroggen1
1Universitätsklinikum Ulm, Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie, 2Deutsche Sporthochschule Köln

Betrachtet man die Beziehung von Trainer*in und Athlet*in wird deutlich, dass ungleiche Machtverhältnisse vorliegen (Vertommen, 2016), da Trainer*innen beispielsweise über die Wettkampfteilnahme bestimmen und das Trainings- und Wettkampflima maßgeblich beeinflussen. Es ist bekannt, dass ungleiche Machtverhältnisse die Entstehung sexualisierter Gewalt begünstigen können (Roberts, Sojo, & Grant, 2020). Trotz ungleicher Machtverhältnisse schreiben Athlet*innen, die sexualisierte Gewalt durch ihre/ihren Trainer*in erfahren haben, der Beziehung zu Trainer*innen eine große emotionale Nähe zu und vergleichen diese mit ihrer Beziehung zur ihren Eltern (Gaedicke et al., 2021). Emotionale Nähe wird, laut des 3+1C’s-Modells (Jowett, 2007), neben Koorientierung, Komplementarität und der Intention, die Beziehung aufrecht zu erhalten, als ein zentraler Faktor in Trainer*in-Athlet*in-Beziehungen gesehen. Aktuelle Studien, die auf diesem Modell basieren, belegen, dass emotionale Nähe in der Trainer*in-Athlet*in-Beziehung positiv mit z.B. dem psychologische Wohlbefinden (Simons and Bird, 2022) oder der Gruppenkohäsion (Freire et al., 2022) zusammenhängen. Anderseits zeigt die Literaturlage, dass eine große emotionale Nähe das Risiko mit sich bringt, dass Grenzen innerhalb von Beziehungen verwischen (Schmid et al., 2015) und es zur Rollendiffusion kommt. Rollendiffusion ist dadurch gekennzeichnet, dass die/der Trainer*in z.B. auch auf andere Kontexte als den Sportkontext von Athlet*innen Einfluss nimmt, grenzüberschreitendes Verhalten zeigt und/oder eine sehr autoritäre Position verlangt. Mittels der vorliegenden Untersuchung soll überprüft werden, ob emotionale Nähe in der Trainer*in-Athlet*in-Beziehung Rollendiffusion erklären kann. Zur Überprüfung wurden 654 Athlet*innen (Geschlecht: 62% weiblich; Alter: M = 20.8 Jahre, SD = 6.68) zur emotionalen Nähe in der Trainer*in-Athlet*in-Beziehung (CARTQ; Schäfer & Ohlert, 2020) sowie zur Rollendiffusion der/des eigenen Trainer*in (per EFA analysierte neu konstruierte Items; Faktoren: außerhalb des Sports, Autorität, Grenzüberschreitung) befragt. Die Ergebnisse von drei linearen Regressionsanalysen zeigen, dass emotionale Nähe (UV) signifikant zur Varianzaufklärung hinsichtlich der Rollendiffusion außerhalb des Sports (R² = .152, F(1,650) = 116.66, p < .001) sowie Grenzüberschreitungen (R² = .047, F(1,651) = 31.92, p < .001) beiträgt. Zur Rollendiffusion-Autorität zeigt sich kein signifikantes Ergebnis (R² = .005, F(1,652) = 3.60, p = .058). Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass emotionale Nähe insbesondere eine Rolle dafür spielen könnte, dass Trainer*innen über ihren eigentlichen Handlungskontext hinaus agieren sowie, dass Grenzen in der Trainer*in-Athlet*in-Beziehung verwischen können. Die Ergebnisse sind mit Vorsicht zu betrachten, da sie keine Rückschlüsse auf Kausalzusammenhänge zulassen und ausschließlich die Perspektive der Athlet*innen berücksichtigt wird. Mit Blick auf die Praxis können die Ergebnisse einen Beitrag zur Sensibilisierung für klare Rollendefinitionen und Grenzen in der Trainer*in-Athlet*in-Beziehung liefern.

 

Sexualisierte Gewalt im Kontext des Sports – Analyse der Anhörungen der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs

Kathrin Wahnschaffe-Waldhoff, Bettina Rulofs, Marilen Neeten, Annika Soellinger
Deutsche Sporthochschule Köln

In Deutschland gehört Sport zu den beliebtesten Freizeitaktivitäten von Kindern und Jugendlichen. Etwa 50 % der Mädchen und 60 % der Jungen sind Mitglied in einem Sportverein (Gerlach & Hermann 2015). Hinzu kommt die Nutzung kommerzieller Sportangebote, die sich bei Jugendlichen wachsender Beliebtheit erfreuen (Thieme 2015). Sportliche Kontexte stellen für Heranwachsende bedeutsame Lebensbereiche dar, in denen sie wichtige Sozialisationserfahrungen machen sowie Förderung in ihrer körperlichen und motorischen Entwicklung erfahren. Umso erschütternder wirken sich in diesem von Gemeinschaft, Nähe und Vertrauen geprägten Kontext sexualisierte Missbrauchserfahrungen auf die Lebensverläufe Betroffener aus. Um diese Erfahrungen einzuholen hat die Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs Betroffene sowie Zeitzeuginnen und Zeitzeugen aufgerufen, von der ihnen widerfahrenen Gewalt zu berichten. Es wurden Betroffene angehört, die Erfahrungen mit sexualisierter Gewalt im Freizeit-, Leistungs- und im Schulsport gemacht haben.

Das Forschungsteam hat 72 vertrauliche Anhörungen und Berichte von erwachsenen Personen, die in ihrer Kindheit oder Jugend sexualisierte Gewalt im Sport erfahren haben und die von speziell geschulten Anhörungsbeauftragten der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs durchgeführt wurden, qualitativ ausgewertet. Dabei wurde eine inhaltlich-strukturierende qualitative Inhaltsanalyse nach Kuckartz (2016) durchgeführt, die durch Verfahrensschritte der dokumentarischen Methode nach Bohnsack (2003), wie die komparative Sequenzanalyse einzelner Sinnabschnitte (Bohnsack & Nohl 2001) und eine Typenbildung (Bohnsack 2001) ergänzt wurde. Außerdem wurde ein partizipativer Ansatz verfolgt, der die Perspektive Betroffener in den Forschungsprozess einbezieht.

Die Rekonstruktion der Gewalterfahrungen aus der individuell-biografischen Perspektive Betroffener zeigt unter anderem eindrücklich auf, wie einschneidend, lebensverändernd und belastend die Gewalt erfahren wird. Als Gewalt begünstigende persönliche Lebensumstände können familiäre Verhältnisse, in denen sich Kinder und Jugendliche kaum anvertrauen können, identifiziert werden. Die Folgen der sexualisierten Gewalterfahrungen für die Biografien der Betroffenen sind vielfältig. Fokussiert werden soll besonders auf empfundene Scham- und Schuldgefühle sowie auf die Folgen für die sportbezogene Biografie, die gravierend sind und häufig in einem Dropout enden.

Die Erfahrungen von sexualisierter Gewalt im Sport stehen, wie die Analyse der vertraulichen Anhörungen zeigt, im krassen Widerspruch zum Heilsversprechen des Sports. Den Opfern entstehen durch die Taten lebenslange Schäden an Gesundheit, Wohlbefinden und Teilhabe am Sport sowie am gesellschaftlichen Leben.

 

»Safe Clubs«: Entwicklung und Evaluation von Empowerment-Workshops zur Prävention von interpersonaler und sexualisierter Gewalt in Sportvereinen

Helena Schmitz1, Jeannine Ohlert1, Marc Allroggen2, Marion Sulprizio1, Teresa Greither2, Elena Breyer1, Janna Kerkow1
1Deutsche Sporthochschule Köln, 2Universitätsklinikum Ulm, Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie

In den vergangenen Jahren wurden in mehreren Studien hohe Prävalenzen von interpersonaler Gewalt im Sport nachgewiesen (z.B. "Sicher im Sport" von Rulofs et al., 2022). Insbesondere der Sportverein ist der am häufigsten genannte Kontext für Gewalterfahrungen. So betonen beispielsweise Allroggen et al. (2016), dass die Schaffung einer „Kultur des Hinsehens“ in Sportvereinen und das Empowerment von Sportler*innen dazu beitragen können, diese vor Gewalt zu schützen. Nach Wolff (2015) kann sich ein kultureller Wandel in einer Organisation nur entfalten, wenn möglichst alle Ebenen und Akteur*innen einer Organisation beteiligt sind. Das Projekt »Safe Clubs« greift diese Erkenntnisse auf und gliedert sich in fünf Teilprojekte, die die Bereiche Analyse, Prävention und Intervention im Kinder- und Jugendschutz abdecken. Teilprojekt 1 befasst sich mit der Durchführung von Vereinsanalysen sowie der Entwicklung organisatorischer Schutzprozesse. Teilprojekte 2 und 3 befassen sich mit der ganzheitlichen Verbesserung der Prävention von interpersonaler Gewalt in Sportvereinen, indem eine Kultur des Hinsehens eingeführt und Sportler*innen durch Interventionen mit allen Beteiligten in Sportvereinen gestärkt werden. Teilprojekt 4 fokussiert sich auf die Vermittlung konkreter Handlungskompetenz bei Verdachts-/Vorfällen für die Ansprechpersonen im Kinderschutz. Im fünften Teilprojekt werden konkrete Transferprodukte entwickelt, die bei Projektende allen Sportvereinen in Deutschland zur Verfügung gestellt werden. In diesem Beitrag wird nur auf Teilprojekte 2 und 3 eingegangen, in denen Workshopkonzepte für (a) alle Erwachsenen im Vereinskontext, (b) nur Trainer*innen und für (c) Sportler*innen entwickelt werden. Workshop (a) richtet sich hierbei z.B. an Vorstandsmitglieder, Eltern, Trainer*innen oder Physiotherapeut*innen und fokussiert sich auf die Wissensvermittlung, die Vermittlung eines Handlungsleitfadens, sollte man eine grenzüberschreitende Situation als passive Person beobachten, sowie die gemeinsame Schaffung einer Kultur des Hinsehens. Workshops (b) haben zum Ziel, das Empowerment der Sportler*innen zu verbessern. Um einen kulturellen Wandel zu unterstützen, beschäftigen sich die Workshops auf die Umsetzung eines Empowerment-stärkenden Trainingsklimas. Diese Intervention beabsichtigt eine Verhaltensänderung hin zu mehr Empowerment-stärkenden Strategien im Training, da diese als Schutzfaktor gegen interpersonale Gewalt dienen können (Ohlert et al., 2022). Schließlich sollen (c) Empowerment-stärkende Workshops für Sportler*innen Gelegenheiten bieten, eigene Grenzen zu erkunden, zu stärken und zu kommunizieren sowie Unterstützungsangebote kennen zu lernen, wenn verdächtige Situationen beobachtet oder selbst erlebt werden. Alle Experimental- und Kontrollgruppen füllen Fragebögen aus, die das Erreichen der Workshop-spezifischen Ziele sowie die subjektive Wahrnehmung der Kultur des Hinsehens im jeweiligen Verein evaluieren. Zur Auswertung der Daten werden (multivariate) Varianzanalysen und Korrelationsanalysen durchgeführt. Implikationen der Ergebnisse für die Prävention von interpersoneller Gewalt in Sportvereinen werden vorgestellt und diskutiert.

 

Psychische Gewalt und Change Prozesse in Sportorganisationen

Kathrin Staufenbiel1, Eva Reinschmidt1, Jeannine Ohlert2, Martin Hartmann1, Thomas Gutekunst1, Michaela Röhrbein3
1Deutscher Turner-Bund, 2Deutsche Sporthochschule Köln, 3Deutscher Olympischer Sportbund

Insbesondere im Turnsport löst die 2020 veröffentlichte Netflix-Dokumentation "Athlete A" über den Missbrauchsskandal um den US-amerikanischen Teamarzt Larry Nassar im Juni 2020 eine öffentliche Debatte über die Trainingskultur im Spitzensport aus. Studien (z.B. »Safe Sport Studie«; Ohlert et al., 2021; Ohlert et al., 2017; Rulofs et al., 2017) und nationale, sowie internationale Schilderungen von Betroffenen zeigen, dass Vorfälle von Gewalt im Sport keine Einzelfälle sind. Ende November 2020 äußerten sich im Magazin "Der Spiegel" deutsche Turnerinnen öffentlich zu Trainingsmethoden und Umgangsformen und erhoben schwere Vorwürfe der Ausübung psychischer Gewalt sowie der Abgabe von Medikamenten ohne ärztliches Rezept (Windmann, 2020). Durch eine durch das DTB-Präsidium eingesetzte unabhängige Untersuchung wurden die in den Medien erhobenen Vorwürfe bestätigt. Neben sportpolitischen Forderungen (u.a. Einrichtung eines Safe Sport Zentrums) entschied der DTB einen gesamtverbandlichen den Kultur- Strukturwandelprozess „Leistung mit Respekt“ durchzuführen (Deutscher Turner-Bund, 2021a). Dieser Beitrag stellt den Aufbau, die Vorgehensweise, die Ergebnisse und die Learnings des Change Prozesses vor. Dabei werden auch die Ergebnisse einer Befragung unter Athlet*innen, Trainer*innen, Eltern und Funktionär*innen präsentiert (Ohlert, 2022).